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Am 15. Januar 1916 abends 6ºº marschierten wir im schönsten Schneegestöber zur Bahn. Der Abschied von meinem Mädel wurde mir nicht so ganz leicht. In Sorau wurden wir sehr gut verpflegt, und weiter ging es die Nacht durch über Magdeburg nach Unterlüß bei Celle, wo wir am 16. mittags eintrafen. Zum M.W. [Minenwerfer] Lager hatten wir noch einen halbstündigen Marsch, und ehe dann alles geregelt war, wurde es abend. Ich erhielt wie alle anderen Offiziere ein Barackenzimmer - nicht komfortabel, aber ganz gut. Das Essen im Kasino war nicht gerade besonders, und abends mußte man schon mehr als eine teure Portion essen, ehe man satt war.

Am 17. begann die Ausbildung am schweren Minenwerfer - ein recht interessanter Dienst. Am 22. fuhr ich mit einem lieben Glogauer Kameraden - Leutnant Vogelsang - über den Sonntag nach Hannover. Die Stadt mit ihren alten Patrizierhäusern gefiel uns sehr gut. Sonntag abend führte uns der Zug nach Unterlüß zurück, um wieder eine Woche Ausbildung zu genießen. Sehr viel lernte ich kennen. Das erste Scharfschießen machte viel Spaß und klappte ausgezeichnet.

Sonnabend mittag fuhren wir mal nach Hamburg und staunten über den dortigen mächtigen Betrieb. Fein war's im Alsterpavillon. Sonntag früh - es war ein prächtiger Sonnentag - gingen wir zum Hafen und machten mehrere Rundfahrten, - damals sah ich das erste Mal die großen Übersee-Dampfer, die mich eigentlich etwas enttäuschten. Den Imperator wollten wir uns etwas näher ansehen, und kamen auch durch Glück und einen „Händedruck“ dazu. Über zwei Stunden bewunderten wir den Koloß, und hatten noch lange nicht alles gesehen. Wer das nicht kennt, kann sich keinen Begriff davon machen. Von seinem Oberdeck aus hatten wir eine prächtige Übersicht über den Hafen, in dem auch noch einige Kreuzer lagen. So kriegte ich wenigstens einen kleinen Begriff von unseren Seeschiffen. Der Nachmittag verging uns dann nur zu schnell, und dann ging's wieder heimwärts.

Am 3. Februar wurden wir nach einer Schlußübung entlassen, und ich mit meinem Zuge nach Berlin zum Minenwerferpark geschickt. Mit Leutnant Vogelsang durchbummelte ich dann Berlin und lernte es wenigstens etwas kennen.

Sonnabend, den 5. Februar, hatten wir den ersten Dienst. Die Offiziere ......... reiten. Ich konnte es ja schon etwas, und mit meinem miserablen Gaul war nicht viel anzufangen. Gerade als ich abrücken wollte und mich schon auf den freien Sonntag freute, kam der Befehl, daß mein Zug abrücken sollte. Den ganzen Nachmittag und Sonntag vormittag empfing ich Gerät für eine ganze Kompanie, und nachdem alles soweit ferig war und wir alles verladen hatten, fuhren wir zusammen mit dem leichten Zuge 242, den Leutnant Beus führte, von Berlin ab. Die Fahrt war langweilig, und während der Nacht froren wir. In Bieberach wurden wir am 7. früh sehr gut verpflegt, dann ging's weiter über den Rhein und nachts kamen wir in Mühlhausen an. Dort erhielten wir näheren Befehl und wurden noch bis Sierenz weitergeleitet, wo wir am 8. frühzeitig eintrafen. Quartiere waren bereits von einem dortliegenden mittleren M.W. Zuge gemacht worden, und wir konnten uns gleich ausruhen.

Die drei jetzt versammelten Züge wurden nun zu einer Kompanie zusammengestellt. Wir bekamen die Nr. 219 und gehörten zur 19. Res. Div. [Reserve-Division], die damals dort in Ruhe lag.

Bis zum Eintreffen des Kompanieführers Ltn. d. R. [Leutnant der Reserve] Fritz hatte der Führer des mittleren Zuges, Leutnant Rohde, als ältester Offizier das Kommando. Die ersten Tage brachten mit dem Verteilen aller Sachen sehr viel Arbeit, später bauten wir am Rhein gegenüber von Idstein Werferstellungen, um Übungsschießen abzuhalten.

Das Leben in Sierenz war sehr nett, unsere Quartiere ganz gut. Inzwischen war uns auch ein Arzt Dr. Strohm zugeteilt, mit dem ich später immer am liebsten zusammen war. Wir Offiziere aßen in einem Gasthause und tranken dazu vom Elsässer Wein, an den ich mich allerdings nie gewöhnen konnte.

Am 17. Februar bekam ich Befehl, mit meinem Zuge nach Waldighofen zur 8. bayer. Ldw. Div. [bayerische Landwehr-Division] zu marschieren. Nach wunderbarem Marsch langten wir am 18. nachmittags dort an und wurden von der M.W.K. [Minenwerfer-Kompanie] 308 sehr gut aufgenommen. Ich wurde beim Lehrer in W. einquartiert, hatte allerdings nicht viel davon. Führer der M.W.K. 308, die in Steinsulz lag, Leutnant Türk, hat sich später noch große Verdienste um die Minenwerfer erworben - er war auch so ein sehr angenehmer Herr.

Am 19. abends ging es mit Lastautos nach vorn, um in der Nähe von Niederlarg in Stellung zu gehen. Nach stundenlangem Suchen in den teilweise arg zerstörten Gräben fanden wir endlich zwei sehr schlechte Werferstände, in die dann unter größter Anstrengung durch dicksten Dreck die Werfer in Stellung gebracht wurde. Am Morgen des 20. waren wir erst schußbereit, und dann ging's los. Wir hatten drei Stunden lang die vor uns liegende französische Stellung zu beschießen, und die sah nachher wirklich nicht mehr sehr gut aus. Meine Beobachtung war sehr gut, und da war es ja auch kein Kunststück, den feindlichen Graben zu zerstören. Ganz ruhig blieb der Franzmann allerdings auch nicht, er antwortete ziemlich heftig mit Artillerie, fand uns aber nicht - nur einige Schüsse kamen etwas näher.

Abends wurde wieder abgebaut, und zurück ging es nach Waldighofen. Hier ruhten wir noch einen Tag und dann brachte und die Bahn am 22. nach Lierenz zur Kompanie. An den folgenden tagen bauten wir an unserer Übungsstellung weiter. Unser Kompanieführer, Leutnant Fritz, traf dann auch ein. Anfang März hielten wir auf unserem neuen Platz ein Scharfschießen ab, und bei dieser Gelegenheit sprach mir unser Divisions-Kommandeur Exzellenz v. Wartenberg im Namen der 8. bayer. Ldw. Div. [bayerische Landwehr-Division] seine Anerkennung und Zufriedenheit für meine Schießerei bei Niederlarg aus.

Unsere Ruhe dauerte nicht lange; am 7. März wurde mein Zug verladen, und wir kamen spät abends in Türckheim an. Ich bekam von der 6. bayer. Ldw. Div. den Befehl, nach Drei Ähren zu rücken, und nun ging's vier Stunden lang steil bergauf. Hoch über uns sahen wir die Lichter von Drei Ähren, und nur langsam kamen wir näher. Es war bitter kalt, und ich führte meine Lotte am Zügel nach. Bei Tagesanbruch langten wir endlich an, machten Quartier und blieben bis zum 9. früh. Leutnant Rohde, dessen Zug schon einige Tage dort war, stattete mit einen Besuch ab. Wir zogen nun auf der Höhe entlang nach Erlenbrunnen am Gr. Honack. Die Quartiere waren nicht zum Totlachen, und es dauerte lange, ehe ich meine „Villa Nebelheim“, eine kahle Blockhütte, etwas warm kriegte, die ich gemeinsam mit meinem Offz. Stellv. [Offizier-Stellvertreter] Grassmann bewohnte. In den nächsten Tagen bauten wir die Werfer vorn ein.

[unleserlich] ............In einem schweren am Schratzmännele und einem am Lingekopf. Die Stände waren sehr gut, die Stellung bis auf das manchmal sehr schwere Werferfeuer ziemlich ruhig. Die Feuerleitung war in der sog. Felsenburg, einem Steilabhang am Bärenkopf. Hier war auch unser Kasino, und ich muß sagen, daß wir von den bayerischen Kameraden des Minenwerferkommandos 306 gut aufgenommen worden sind.

Beim Einschießen lernte ich den größten Teil der Stellung kennen. Unsere Beobachtungen Morchmast und Am Eichenhain waren ausgezeichnet, wir konnten den Franzosen direkt von oben in die Gräben gucken, was den Herren sehr unangenehm war.

Am 11. März bekamen wir ganz plötzlich Abmarschbefehl. Den Werfer am Lingenkopf brachten wir in ziemlich heftigem Schrapnellfeuer, das ein Flieger leitete, nach dem Bärenstall, kamen aber ohne Verluste nach hinten. Nach Talfahrt über Drei Ähren kamen wir wieder in Türkheim an, verluden, und am 12. April waren wir bereits wieder in Sierenz.

Schade, daß wir so schnell von dort oben wegmußten - es war so fein. Das ganze Gebirge war hoch eingeschneit, und die Fernsicht war prachtvoll. Eines Morgens sah ich mal von unserer Felsenburg aus die Alpenkette und über das Rheintal hinweg den Schwarzwald. Ich wäre gern noch oben geblieben, besonders wen ich gewußt hätte, was mir die nächste Zeit bringen wird.

In Sierenz wurde nun alles in ordnung gebracht; die Kompanie sollte abrücken. Wir vermuteten Verdun, wo es ja losging. Am 15. März fuhren wir ab, und hatten in Straßburg den ersten größeren Aufenthalt. Auf altbekannter Strecke ging's dann weiter - Longnyon - Sedan nach Stenay. Also doch Verdun. Ankunft 16. früh, dann gab's einen Marsch nach Hau les Invigny, wo wir nachmittags ankamen. In dem kleinen, friedlichen Dörfchen, das sehr fein an der Othaine lag, wurde Quartier gemacht. Von der Front hörten wir einen Geschützdonner, wie ihn noch keiner von uns gehört hatte. Abends beobachteten wir von einer Anhöhe in der Nähe den Feuerzauber, und wir hielten es für ausgeschlossen, daß das alles Artilleriefeuer sein könnte. Na, acht Tage später waren wir davon überzeugt. In Hau l. I. war unsere letzte Erholung, ehe es nach vorn ging. Wir übten noch, machten kleine Märsche und ritten spazieren. In diesen Tagen bekam ich als erster unserer Kompanie das Eiserne Kreuz von der 8. bayerischen Landwehr-Division.

Am 22. März rückten wir nach vorn. Je näher wir an die Front kamen, desto belebter wurden die Straßen. Durch mein altbekanntes Danvilles hindurch nach Mariney, das uns als Unterkunft angewiesen wurde. Das Dorf vollkommen überfüllt, zu allem Überfluß fing's auch noch an zu regnen, als wir die Fahrzeuge auf der Wiese hinter der Kirche aufstellten. Nur notdürftig kam die Kompanie unter, die Pferde blieben draußen im Regen. Am nächsten Tage hieß es wieder „hinaus“. Wir marschierten nach Azannes und richteten uns in dem arg zerschossenen Dorfe etwas ein. Wir Offiziere fanden einen kleinen Unterstand, in dem man sich nicht drehen konnte. Ein Teil der Kompanie ging in die sogenannten Kasemannten-Schlucht östlich vom Fort Dunamont am Crailette Wald in Stellung.

Am 26. März gingen wir anderen Offiziere das erste Mal nach vorn, nur um die Stellung kennen zu lernen. Der Weg führte uns am Eisenbahngleis entlang über Grennilly nach Ornes, das unter ziemlich schwerem Feuer lag. Es war stockdunkel, und nicht mal unsere Führer wußten den Ausgang des Dorfes. Na, es war kein Vergnügen, in dem Artilleriefeuer herumzurennen. Endlich fanden wir uns doch zurecht, und weiter ging's auf der vollkommen zerschossenen Straße, die voll von Munitionswagen, die trotz der 10 Pferde nicht wegkamen, stand, nach Beaumont.

Hier derselbe Feuerzauber. Bei Hardonamort verpusteten wir uns etwas, und dann ging's durch unsere fortwährend feuernden Batterien hindurch, ganz nach vorn. Hier warem am Hange sechs mittlere Werfer eingebaut. Unterstände-Luxus...... [unleserlich] Ein Loch und die Zeltbahn darüber war alles. Am nächsten Morgen glücklich zurück, war unsere Neugierde reichlich befriedigt. Bei Grennilly konnten wir noch eine 42-cm-Haubitze bewundern, und das war des Ansehens schon wert.

An den nächsten Tagen hatte ich Zeit, mir mal die von 14/15 her bekannte Gegend etwas näher anzusehen. Das meiste war noch unverändert - in unseren Unterständen auf Höhe 267 lag eine Funkerabteilung, von der wir uns abends immer die deutschen und französischen Kriegsberichte holten. In der alten französischen Stellung, die mich ja auch interessierte, waren meist Batterien und Reserven untergebracht.

Am 31. März ging ich zur Ablösung nach vorn. Durch's Sperrfeuer hindurch langten wir gücklich in der Kasemattenschlucht an. Im Grunde der Schlucht waren Beton-Unterstände, die zu einer französischen Festung-Batterie-Stellung gehörten (daher der Name). Diese Unterstände waren von einem Regimentsstab belegt und die Franzosen, die sich das wohl denken konnten, hielten sie ununterbrochen unter Feuer, sodaß die Splitter bis zu uns herauf flogen. Auf unsern Hang kam vorerst kein Schuß - wir hofften im toten Winkel zu sein. Durch Splitter hatten wir die ersten Verwundeten. Auch meine Rocktasche kriegte einen ab, gerade als ich beim Werfer-Einrichten war.

Am 2. April wurde gestürmt, wir hatten verschiedene Infanterie-Stände zu beschießen. Rechts von uns klappte alles ganz gut, - links machten die Franzmänner einen Gegenangriff, der aber noch unmittelbar vor der Schlucht aufgehalten werden konnte. Jetzt kamen auch die ersten schweren Granaten auf unseren Hang, und wir saßen ohne jede Deckung da - keine reine Freude.

Das Feuer wurde immer schlimmer, zwei Werfer waren schon zerschossen, und es gab eine ganze Anzahl Toter und Verwundeter. Da weiter gestürmt werden sollte, lag ein ununterbrochenes Feuer auf den französischen Stellungen, das der Franzmann aber mindestens ebenso heftig erwiderte. Unsere Küche konnte infolgedessen auch nicht an den bestimmten Platz kommen, und so saßen wir ohne etwas zu Trinken da. Eßwaren fanden sich vorn leichter.

Am 4. April morgens wurde ich zu einer Splittung nach der Hassoule-Schlucht befohlen. Hier trank ich mich erst mal satt - drei Tage mit einer Feldflasche auszukommen, ist doch nicht so leicht. Am Abend sollte wieder gestürmt werden - es waren sächsische Truppen - und ich hatte einen ganz besonderen Auftrag: den einen Infanterie-Stand genau zu beschießen. Ich erwartete dann noch Leutnant Rohde, der mich ablösen sollte, und mit ihm ging ich dann durch's dickste Sperrfeuer hindurch nach vorn.

Es krachte nur immer so um uns, und es war ein großes Glück, daß nichts passiert ist. Wir beide hatten verschiedene solcher Rennen zusammen gemacht! Auf unserem Gange sah's schon ziemlich wüst aus. Unser Lock war verschüttet, aber sonst alles heil geblieben. Wir fingen gleich an, uns einzuschießen, und das war nicht leicht, da bei dem Feuer an eine telefonische Verbindung nicht gedacht werden konnte. Ich saß vorn im ersten Graben - kaum 100 m vor mir mein Ziel, und wir schossen gut. Der Franzmann trommelte mit seinen 28-cm-Granaten wie wild auf unserer Stellung 'rum, und ich atmete wirklich auf, als sie ihr Feuer hinter unseren Graben verlegten. Jedenfalls hielten sie unsere Minen für eigenes Feuer und gaben dann durch ihre Lichtsignale: „Feuer vorverlegen“ nach hinten.

Bis gegen 11ºº nachts saß ich vorn, es war nicht angenehm, dann kam Befehl: Sturm unterbleibt. Durch stockdüstere Nacht .....[unleserlich] ich mich bis in unsere Schlucht zurück, sammelte meine Männer und zurück ging's nach Azannes, nicht ohne in Beaumont noch mal eins auf's Dach zu kriegen. Unsere Straße sah auch fein aus; überall zerschossene ......[unleserlich], die sie versperrten, und tote Pferde. Ich glaube, von dieser ersten Sache hatten wir alle die Nase schon ziemlich voll.

Unsere Division sollte nun auch eingesetzt werden, und zwar auf der anderen (westlichen) Seite von Beaumont. Wir zogen nun auch aus Azannes wieder aus und gingen wieder nach ......[unleserlich] ins Ruhequartier. Der Anmarschweg ging über Ville devant Bhamont, die Kapstraße entlang am Warville- und Fosses-Wald vorbei nach der Bhauffaur-Schlucht, in der unsere Werfer eingebaut waren. Es waren sogar Unterstände dabei, aber ohne hinreichende Deckung. Allerdings fühlten wir uns vorerst wenigstens sicherer, als in der Kasematten-Schlucht. Vier mittlere Werfer standen weiter unten, sechs leichte Werfer waren am Hange eingebaut. Das Feuer war hier auch nicht so blödsinnig. Allerdings sah es hier auch schon toll genug aus. Von dem auf der Karte verzeichneten Bhauffaou-Wald war nicht mehr allzuviel zu sehen, und die dort stehenden Batterien waren nicht zu beneiden.

Unser Ruhequartier Moiny war herzlich schlecht. Wir hatten ein haus unmittelbar an der Kirche, und lagen mit fünf Offizieren in einer Bude von etwa 20 qm Bodenfläche. Über uns lagen Mannschaften der Kompanie, deren Lärm manchmal wenig erfreulich war. Na, es war ja Sommer, und wr konnten un viel im Freien aufhalten. Machten Spazierritte in die Umgegend, und ich besuchte auch meine alte Stellung im Bois de ....[unleserlich]

Von der Omort-Ferne aus beobachteten wir immer das Feuer am Druamont, Höhe 304, und am Toten......[unleserlich] Das war immer allerhand - das Rollen hörte nie auf.

Am 17. April wurde in unserem Abschnitt gestürmt. Infolge der ausgezeichneten Vorbereitung durch Artillerie und Minenwerfer gelang es der Infanterie, bis über die Albain-Schlucht hinaus vorzugehen und sich dort festzusetzen. Durch das französische Sperrfeuer, das auch nicht von Pappe war, hatte auch unsere Kompanie erhebliche Verluste - ein Volltreffer zerstörte unseren Unterstand. Bei dem Angriff wurden etwa 2000 Gefangene gemacht, und das war ein schöner Erfolg, den nur der ermessen kann, der die Verdun-Schlacht mitgemacht hat.

Unsere Werferstellung mußte nun auch weiter nach vorn verlegt werden, und wir bauten uns in der Albain-Schlucht ein. Am Morgen des Karfreitag brachten wir in wunderbarstem Sonnenschein einen Teil der Werfer über den Bhauffaur-Rücken. Der Franzmann war ausnahmsweise sehr ruhig - hatte wohl genug mit sich selbst zu tun - und so konnte ich mir von dort oben aus mal die Gegend etwas besehen. Das Maastal lag herrlich da, und im Hintergrunde sah man ganz deutlich die Zitadelle von Verdun. In den zum Teil sehr stark beschädigten Gräben der alten französischen Stellung sah es ziemlich wüst aus - Leichen, Ausrüstungsstücke - alles wirr durcheinander. Bis Mittag konnten wir des geringen Feuers wegen ganz gemütlich vorn spazieren gehen und tüchtig arbeiten. Bald wurde es aber anders, der Feind nahm sich besonders unsere Schlucht vor, sodaß wir uns bald in unseren einzigen, kaum angefangenen Unterstand zurückziehen mußten, um wenigstens etwas gegen Splitter gedeckt zu sein. Aber auch da hieß es ausziehen - ein Volltreffer, zum Glück ein Blindgänger - schlug die schwache Decke ein, sodaß wir immerhin noch einen Toten und einen Verwundeten hatten. Ich saß glücklicherweise in einer Ecke und kriegte nichts ab. Das Feuer wurde immer heftiger, und es war sehr ungemütlich! An Weiterbau war vorläufig nicht zu denken, und so bezogen wir für die Nacht unsern alten Bunker in der Chauffoir-Schlucht. In den nächsten Tagen dasselbe Theater, und ich kann wohl behaupten, daß die Osterfeiertage nicht zu meinen schönsten Erinnerungen zählen.

Der Weiterbau der Stellungen ging nur langsam vorwärts, die mittleren Werfer wurden mit ungeheuren Schwierigkeiten nach vorne gebracht. Unsere Kompanie hatte sich inzwischen auch schon ziemlich gelichtet. Leutnant Beus mußte wegen seiner Nerven ins Lazarett, und zwei Offz. Stellv. verzogen sich auch allmählich aus der dicken Luft. An Stelle von Leutnant Beus kam Leutnant Voss - ein Hannoveraner, der sich als früherer Kavallerist auch erst an dies Leben gewöhnen mußte.

Bei schönem Wetter gab's vorn allerhand zu sehen, besonders viel Fliegerkämpfe, die mit größtem Interesse verfolgt wurden. Bei Regenwetter wurde meist weniger geschossen, aber dafür war es infolge des dicken Lehmdrecks unangenehmer. - Die Verpflegung mußte sich jeder für 3 oder 4 Tage, je nachdem, wie lange er vorn blieb, mitnehmen, und da hieß es besonders mit dem Trinken haushalten. Die einzige Wasserstelle war im Dorf Druamont und lag derartig unter Feuer, daß es nur selten einer wagte, hinzugehen. Rings um den Brunnen lagen die Toten, alle mit Kochgeschirren und Feldflaschen in den Händen, wie gesät. Na, schön war anders.

Unser Anmarschweg lag auch unter sehr starkem feuer - vor Ville fing es schon an, und dann ging's die ganze Kapstraße entlang - am schlimmsten an der Fosses-Wald-Ecke und dann zwischen den beiden Schluchten. Man wußte bald nicht mehr, wo man eigentlich gehen sollte, überall das selbe starke feuer, daß uns viel Leute kostete.

Am 7. Mai sollte wieder gestürmt werden, und ich hatte unser Feuer vorzubereiten. Ziel war die Thianmont...... [unleserlich] und einige Infanteriestände. Die Beobachtung beim Hinschießen mußte immer durch Läufer zu den Werfern gegeben werden, da die Telefonleitung sofort in tausend Fetzen zerschossen war. Bei allen Besprechungen, die teils in der Fosses-Schlucht, teils im Rgst.-Stand Chauffons-Schlucht stattfanden, mußte ich anwesend sein, und es war wirklich keine Freude, jeden Tag mehrmals durch das dicke Feuer hindurchlaufen zu müssen.

Am Morgen des Angriffstages gab's zusammen mit Leutnant Rohde wieder ein wüstes Rennen durch das tollste französische Sperrfeuer. Während der ganzen Nacht war schon so viel geschossen worden, und wir hofften immer noch auf ein Abflauen desselben. Aber es wurde nicht besser, sondern immer schlimmer, sodaß wir eben in den sauren Apfel beißen mußten. Mit Spannug wurde unser Sperrfeuerluaf von der bereits in der Albain-Schlucht bereitgestellten Infanterie beobachtet, und wir nachher von allen Seiten beglückwünscht, daß wir heil durchgekomen waren. Beim Schießen hatten wir dann einige Verluste, aber der Angriff klappte wenigstens einigermaßen. Rgt. 92 stieß bis an den Thiamont-Wald vor, während links R.T.R. 78 erst nichts schaffte, sogar noch zwei Kompanien an Gefangenen verlor, die aber nachher alle wieder zurückkamen. Ja, es wurde sogar für uns brenzlig - links vor uns auf der Höhe tauchten schon Franzosen auf, die dann allerdings teils gefangen, teils zurückgeworfen wurden. Ich habe immer den Eindruck gehabt, als ob sich die Gefangenen freuten, viele machten auch gar kein Hehl darus und riefen lachend: „La guerre est finie pour nous“, doch manch einen erwischte noch einge eigene Granate, ehe er hinten war.

Von Mitte Mai ab nahm das französische Feuer immer mehr an Stärke zu. Unser lieber Kamerad Leutnant Rohde wurde am 21. schwer verwundet, konnte wegen des anhaltenden starken Feuers nicht gleich zurückgebracht werden und verstarb dann auf dem Rücktransport. Schade um den guten Kerl, der bei uns Offizieren und auch bei den Mannschaften gleich beliebt war.

Am 23. Mai früh, wir rüsteten uns gerade zur Beerdigung unseres Rohde, wurden von uns 5 Fesselballone duch französische Flieger abgeschossen. Alle kamen brennend zur Erde, und nur ein Beobachter kam lebend davon. - Mit solchen Sachen hat doch keiner gerechnet. - Nun war eine wüste Schießerei im Gange. Die Franzosen stürmten mit ungeheuren Kräften Fort Druaumont, faßten acuh im Kehlgraben Fuß, wurden aber durch das schneidige Vorgehen bayrischer Truppen bald wieder daraus vertrieben, und verloren bei der Gelegenheit sogar noch zwei Batterien zwischen Druanmont und Thianmont ......[unleserlich] und über 2000 Gefangenen. Ihre Verluste müssen ganz ungeheuer gewesen sein. Die französischen Angriffe mit heftigster Artillerie-Vorbereitung machten sich, sie schafften aber nichts. Unsere Divisions-Infanterie wurde zeitweise herausgezogen, und die Stellung mit Bayern und 7. und 8. ganz besetzt. Nur unsere Kompanie hatte das Vergnügen, immer vorn bleiben zu dürfen.

In der Chauffon-Schlucht waren im Laufe der Zeit sämtliche Unterstände eingeschossen, und in dem mitlden Durcheinander fand man sich kaum zurecht, besonders nachts, wenn wir nach vorn gingen. - Ein glücklicher Angriff setzte und in den Besitz der Tianmont-Schlucht, in der wir dann auch einige leichte Werfer einbauten. - Für Leutnant Rohde kam auch ein neuer Offizier zu uns: Leutnant Wahl, der dann bis zum Auflösen der Kompanie bei uns blieb. Ein Offz.Stellv., der ebenfalls inzwischen gekommen war, ging gleich nachdem er nur einmal in Stellung gewesen war, wieder nachhause.

Für den 23. Juni war wieder ein großer Angriff befohlen. Die Vorbereitung war ausgezeichnet - unsere Truppen kamen bis an Fort Sonville 'ran. Mit dem Zwischenwerk Thianmont, einem Stück der Cote de Froide Terre und Dorf Fleury kamen gegen 3000 in unsere Hand. Das war wieder mal ein ordentlicher Schlag, den nur der richtig beweten kann, der selbst dabei war. Unsere Verluste waren auch ziemlich groß, denn der Franzose verteidigte sein Verdun verdammt zähe.

Unser Ruhequartier Morney war auch nicht immer so ganz ruhig, verschiedene Fliegerangriffe sorgten schon für Abwechslung. Eines nachts konnten wir ein französisches Luftschiff bewundern, das in schönster Scheinwerferbeleuchtung über uns wegsegelte.

Öfter schoß der Franzose sehr nahe an unser Morney heran, aber seltsamerweise nie hinein. Das sonstige Ruheleben war ja ganz angenehm, zu essen gab's genung - mein halbes Gehalt wanderte immer in die kantine. An Regentagen vertrieben wir uns die Zeit meistens mit einem Doppelkopf, lasen oder schrieben, denn draußen im dicken Lehm herumzulaufen war kein Vergnügen. Wohl mancher hat vorne in Stellung seine Stiefeln stecken lassen müssen. Mein braver Brockstedt verlor acuh mal einen: Wir kamen aus Stellung zurück und um schneller nachhase zurück zu kommen, sprangen wir auf eine zurückfahrende Artillerie-Protze, aber der Lehrm hielt so fest, daß mein Bursche einen Stiefel im Stich lassen mußte. Ich könnte noch viel von netten und heiteren Szenen aus der Verdun-Zeit erzählen, es würde aber zu weit führen.

Wir atmeten alle erleichtert auf, als am 28. Juni der Befehl zum Fertigmachen kam. Unsere Verluste waren ziemlich groß: Leutnant Rohde tot, Leutnant Reus nervenkrank, Offz. Stellv. Gassmann nachtblind, Offz. Stellv. Werntgen und Offz. Stellv. Tominski nervenkrank. Außerdem noch 28 tote und 54 verwundete Unteroffz. und Mannschaften und eine große Anzahl Kranke.

Von unserem Werfermaterial war auch nicht mehr viel übrig. Die beiden Schweren hatten wir an das M. W. Batl. [Minenwerfer-Bataillon] I abgeben müssen, das sie im Fort Druanmont zerschießen ließ. Von den anderen konnten wir der ablösenden Komp. nur einen bereits ersetzten und auch schon wieder reparierten und zwei reparierte leichte Werfer übergeben - alles andere war zerstört.

Am 29. Juni früh rückten wir von Marne ab und und bezogen nach langem Marsch am Spätnachmittag in Villes Roud Quartier. Die Unterkunft war ausgezeichnet. Am Abend gabs bei der 6. Res. Pi. 10 ein gemütliches Glas Wein. Die Komp. war in der Nähe des Dorfes in einer Mühle untergebracht, die wunderbar in einer Senke lag. Am nächsten Tage aalten wir uns dort im Wasser und taten uns im Walde an Erdbeeren, die es dort in Unmengen gab, gütlich. Gegen Abend brauten wir uns noch eine feine Bowle, dann gings ab zur Verladung noch Chareny. Über Longuyer, Carignan, wo wir sehr gut verpflegt wurden, fuhren wir nach St. Jewin. Hier kamen uns beim Entladen einige franz. Flieger sehr unangenehm nahe, ließen aber nichts fallen. Dann marschierten wir über Grandpré nach Senne-Termes und hier rachte uns die Argonnen-Kleinbahn bei leichtem Regen bis an unser Lager. Charlepane-Lager, so genannt nach einer Mühle, die unten am Bache lag. Die Ggend machte einen recht friedlichen Eindruck - so schlimm, wie ihr Ruf, schienen die Argonnen nicht mahr zu sein. Ich ging gleich am selben Tage zur Übernahme der Stellung nach vorn, und zwar in den Abschnitt RJR 73 (Mitte). Die Werfer und -Unterstände waren sehr gut - wir kannten ja so etwas nicht. Wenig Art. Feuer, manchmal allerdings recht lebhaftes Minenfeuer, das von uns sofort erwidert wurde.

Die erste Stellung war tadellos ausgebaut, Beobachtungen ausgezeichnet. Nach den Anstrengungen von Verdun empfanden wir den dortigen Aufenthalt direkt als Sommerfrische. Wir lösten wöchtenlich ab - 8 Tage vorn, 8 Tage hinten. Unser Quartier war ausgezeichnet, wir wohnten alle in einem langen Blockhause am bewaldeten Abhang. Jeder hatte seine eigene Bude, die er mehr oder weniger schön einrichten konnte. In unserem geräumigen, sehr netten Kasino fanden wir uns zum Essen zusammen. Außerdem gabs ja damals noch manchen guten Tropfen. Die Gegend war la landschaftlich so herrlich, daß wir fast immer unterwegs waern - meist zu Pferde, auch viel zu Fuß, und oftmals sausten wir mit dem Bähnchen nach hinten von der Höhe bei unserem lager konnten wir weit in die Champagen sehen. Ganz häuslich richteten wir uns hinten ein - Hühnerstall und sogar richtige Bienen und Honig hatten wir.

Mitte August bekam ich einen anderen Abschnitt - R.J.R. 78 (links rechts) - landschaftlich der Schönste. Mit dem Bähnchen fuhren wir ziemlich dicht an die Stellung heran, dann gabs noch einen ½stündigen Marsch an einigen riesigen sehr gut gepflegten Friedhöfen vorbei bis ins Steintal, wo sich mein Gefechtsstand befand. Von dort hatte ich einen Ausblick nach dem Storchnest und der Rheinbahnhöhe, beide aus den erbitterten Kämpfen von 1915 her bekannt. Und dort muß es auch sehr toll zugegangen sein, viel war vom Wald nicht mehr zu sehen. Durch die Stellung floß der Channes-Bach und die Stellung war sehr interessant: 2. Teil verdeckte Gräben und Sappen, damit der Feind nicht einsehen konnte. Die Gefechtstätigkeiten waren ziemlich mäßig, sodaß wir auch in Stellung ein recht angenehmes Leben hatten. Blau- und Erdbeeren gab es sehr viel, und die habe ich noch nie verachtet. Als Gespielinnen hatte ich 2 junge Katzen franz. Herkunft. Die Alte war von meinem Beobachter von vorn mitgebracht worden, und kaum war sie da, hatte sie auch schon Jungen, und es war sehr amüsant, den Kleinen zuzuschauen.

An das gue Leben gewöhnten wir uns recht schnell, bauten unser Lager aus, und sorten schon für den Winter. Anstelle von Leutnant Meenzer, der gleich in den ersten Tagen verwundet worden war, kam Offz. Stellv. Nedden, an dem ich mich im Laufe der Zeit eng anschloss. Nun konnte ich auch allmählich mal an meinen Urlaub denken, und nach Rückkehr des Komp. Führers segelte ich dann auch am 15. Sept. [1916] los. Ich freute mich doch, als ich wieder in Deutschland war, und ohne Aufenthalt gings bis nachhause, wo ich ganz unerwartet eintraf. Die Freude war groß, leider verging die feine Zeit zu schnell, und bald hieß es wieder abdampfen. Am 29. fuhr ich mit sehr gemischten Gefühlen, die ich lieber nicht niederschreiben will, ab, aber je näher ich der Front kam wurde mir leichter, und in der Nacht vom 30.9. zum 1. Okt. landete ich in Termes. Während der nacht blieb ich dort bei unserer Bespannungs-Abteilung [Bezeichnung für die Soldaten, die für die Pferde und das Gespann zuständig waren, mit denen das auf einer Art Kutsche montierte Geschütz fortbewegt werden konnte; Foto: Wikipedia] und fuhr erst am nächsten Morgen nach vorn.

Soweit hatte ich meine Erlebnisse der ersten zwei Jahre nach dem Gedächtnis in den ersten Tagen der Somme-Schlacht niedergeschrieben. Das Folgende ist die Wiedergabe meines im Felde geführten Tagebuches und eine Ausführung nach aufgezeichneten Stichworten.

Am 1. Oktober früh gings mit dem fauchenden Argonnebähnchen ins Lager. In Stellung brauchte ich noch nicht zu gehen. Es heißt, die Kompanie sollte abrücken, dann kam ein neuer Befehl: wir bleiben da.

Am 2. Oktober nachmittags ging ich in Stellung, dort ist alles beim Alten geblieben, nur die kleinen Katzen sind recht ordentlich herausgewachsen. Es regnet. Im Laufe des 4. Oktober kommt Befehl nach vorn. Die Kompanie rückt ab, alles ist zur Übergabe fertig zu machen. Das gibt Arbeit und die Zeit vergeht schnell; so alleine ists doch langweilig, besonders nach dem feinen Urlaub. Der Nachmittag des 6. brachte die Ablösung. Mit einem Offizier der M.W.K. [Minenwerferkompanie] 309 gehe ich zum letzten Mal die Stellung durch und dann ins Lager zurück. Dort ist alles schon abmarschbereit. Ich packte ebenfalls meine Sachen zusammen, denn am nächsten Morgen soll es schon los gehen. Wir warten bis Mittag, dann kommt näherer Befehl. Mit einigen Leuten fahre ich der Kompanie voraus, um in Grandpré Quartier zu machen. Das geht sehr rasch: Mannschaften in Baracken, Offiziere in Ortsquartieren. Am Abend besuchen wir das Kino, das im alten Schlosse eingerichtet ist, und dann schlafe ich wieder mal in einem richtigen Bett.

Bis zum 11. Oktober haben wir Zeit, uns den Ort und die nähere Umgebung anzusehen. Grandpré ist ein größeres Dorf an der Aire. Die Kirche mit einem alten und einem neuen Turm sieht recht gut aus. Auch das alte Schloß ist sehenswert. Wir reiten spazieren und freuen uns an der Ruhe, dachten auch an unseren neuen Einsatz, und ahnen schon, was uns blüht.

Am 11. Oktober mittags wird die Kompanie verladen, um ½3 gehts los. In Sedan erste Verpflegung. Hier fallen uns die vielen durchfahrenden Transporte auf. Wir gondeln dann weiter über Givet (       ) sehr gute Verpflegung Namur [unleserlich], durch das mondscheinbeleuchtetet Maastal, bis Mons-Bergen, wo es schon wieder Essen gibt. Etwas sehr viel für eine Nacht. Rechts und links sehen wir die hohen kugelförmigen Halden der Eisenbergwerke. Gegen 8ºº morgens kommen wir nach Cambray, und ein Stückchen weiter, in Rumilly, steigen wir aus. Wir sind im Sommegebiet und hören von weitem schon das anhaltende Rollen von vorn. Über Gozeamont, [unleserlich] Metzen Bonture marschieren wir nach Rugancourt. Hier angekommen, heßt es, im Freien biwakieren, bis die Unterkunft der von uns abzulösenden M.W.K. [Minenwerferkompanie] 207 frei ist. Wir bekommen dann aber doch eine riesige vollkommen leere Baracke angewiesen, und sind froh, daß wir wenigstens ein Dach über dem Kopf haben.

Das Artilleriefeuer vorn ista außerordentlich stark; na bald werden wir ja das „Vergnügen“ näher kennen lernen. - Etwas müde von der Rumrennerei legt sich alles schlafen. Am nächsten Morgen, 13.10., werden wir durch einige nur etwa 300 m von uns entfernt einschlagende Granaten geweckt. Wir erheben uns langsam, ein Bursche holt seine Geige heraus und spielt „Großmütterchen“. Am Nachmittage geht der erste Trupp in Stellung. Aus verlassenen Wohnungen holen wir uns Tische und Stühle. Die Post kommt wieder mal seit 8 Tagen; viel ist nicht dabei.

Die Quartiere der M.W.K. 207 werden endlich auch frei, und am 14. mittags ziehen wir um. Die Räume reichen nicht zu, wir geehen auf Suche nach einigen „gut möblierten“ Zimmern, und finden auch noch etwas Passendes. Ein englischer Flieger ist im Schutze der niedrigen Wolken herangekommen, und beschmeißt das Dorf aus höchstens 200 m Höhe mit Bomben, die aber weiter keinen Schaden anrichten. (     ) Dr. Strohm und ich haben uns inzwischen in der Schwabenstraße eine Zweizimmer-Wohnung genommen und richten uns dort häuslich ein. Bett und vollständige Ausstattung ist da. Die Kompagnie und der Führer liegen in der Mairie. Unser Kasino ist ebenfalls dort.

Gegen 8ºº abends schwillt vorn das Feuer zu nie gehörter Heftigkeit an, flaut aber nach einer Stunde wieder ab. Nach neun Nächten kann ich wiedermal ausgekleidet schlafen.

15. Oktober. Früh rückt der Rest der Kompanie nach vorn, um die 9. Stellung Villers-sur-Flos-Barastre auszubauen. Da ich für Ablösung in erster Stellung in Frage komme, habe ich noch etwas Ruhe. Für meine Bude requiriere ich noch einige fehlende Vorhänge, und gehe nachmittags spazieren. Bei klarem Wetter ein toller Fliegerbetrieb. Einmal zähle ich gleichzeitig 34 Flieger und 40 Fesselballons. Viele Kämpfe - Hautpmann Bölke      

Am Abend kommen die erstenVerwundeten unserer Kompanie. Ich werde von der Division zur Übernahme der Ortsbefestigung Rugancourt befohlen.

Am anderen Morgen fange ich an; es sind Drahthindernisse und Gräbern zu bauen. Heller Sonnenschein - viele Flieger. Am Nachmittag will ich mit unserem Doktor sparzieren reiten. Während wir aufsteigen, wirft ein Flieger unmittelbar hinter einer Mauer der anderen Straßenseite, also etwa 5-6 m von uns entfernt einige Bomben ab. Der Schreck fährt meiner Lotte gewaltig in die Glieder, und sie wird ganz unruhig. Zu allem Überfluß ist das noch nicht alles. Beim Durchreiten eines Hohlweges will ich die Böschung hinauf; mein Pferd gleitet und fällt hintenüber vors Auto. Außer meinem beschundenem linken Knie ist alles in Ordnung.

Die Ortsbefestigung gebe ich wieder ab, es war bei dem neu eingesetzten Regenwetter auch keine Freude, draußen herumzurennen. Ich werde als Führer einer Pionier-Abteilung unserer Division zur Teilnahme an einer Parade vor Sr. Königl. Hoheit Kronprinz Rupprecht von Bayern befohlen. Sie findet am 19. statt.

In einem Lastauto eng zusammengepfercht kommen wir in Harnincourt an, und zwar reichlich spät, sodaß mein Zug kaum stand, als S. Majestät selbst erschien. Die einzelnen Formationen der ganzen Gegend waren im Schloßpark von Harnincourt aufgestellt. Nach Abgehen der Front, einer kurzen markigen Ansprache des Kaisers und Verteilung von Orden folgte ein Parademarsch an S. M. vorbei.

Es regnet immernoch, abends kommen wir vollkommen durchnäßt mit dem Auto wieder zuhause an. Ich habe unsern Kaiser das erste mal gesehen.

20. Oktober früh gets um ½3 raus. Mit dem Wagen fahre ich über Bestincourt-Barastre bis Villers an Flos, Dörfer und Straßen streckenweise unter Feuer. Von Villers an Flos ists noch halbe Stunde zu Fuß bis Baubancourt, wo unser Gefechtsstand ist. Das [unleserlich] Dorf ist vollkommen zerstört, die Straßen sind kaum zu erkennen. Als Unterstand dient der Keller eines zerschossenen Hauses, Deckung ist nur recht wenig da. Tagsüber kann man wegen des anhaltenden Feuers kaum draueßen sein, es ist wieder ganz klar.

Viele Flieger. Nachts gehe ich nach vorn in unsere Werferstellung, es sind nur leichte Werfer eingebaut. Untergebracht sind sie in einer alten Batteriestellung, und sie bekommen viel Feuer. Ich bin froh, daß ich glücklich wieder in meinem Unterstande anlange.

22. Oktober früh kommt Ablösung, wir machen hinter Beautancourt etwas Laufschritt und gehen bis hinter Villes au [unleserlich] Flos. Hier zieht sich unsere Artillerielinie entlang - Geschütz neben Geschütz, und darauf auch ein entsprechendes Feuer. Bei der Kirche in Vil. a. Fl. liegt ein Blindgänger eines 38cm-Mörsers - ein anständiger Brocken, um den jeder einen großen Bogen macht.

Über Hopliercourt-Bestincourt gehts dann mit dem Wagen nach Rugancourt zurück. Wir haben den ersten Frost. Bis zum 27. bin ich in Rugancourt. Wir machen Spazierritte in die nächsten Dörfer und bewundern das Schloß in Veln mit seinem prachtvollen Park, der aber voll von Kolonnen steht. Bestincourt, das zeitweise unter schwerem Feuer liegt, wird geräumt, wir „kaufen“ in einem Geschäft unsere gesamte Kasino-Einrichtung und finden auch vier [unleserlich]ttigkeiten. Ein Grammophon mit vielen Platten wandert auch mit uns, und nun gibts immer Musik, die wir allerdings bald über kriegen.

Am 28. Oktober früh geht es wieder nach vorn. Da Villers en Flos unter Feuer liegt, umgehen wird das Dorf, kriechen über viele Drahthindernisse, versaufen halb in Gräben, und kommen dann endlich nach [unleserlich] Beautancour. Es ist ziemlich ruhig, und so gehe ich gleich nach ganz vorn, um neue Werferstände in der Nähe um Le Transloy [unleserlich] zu suchen. Ich finde auch etwas Passendes, beim weiteren Suchen überrascht mich das ganz plötzlich einsetzende englische Trommelfeuer, und ich muß nach B. zurückgehen. Kurz vor dem Dorf sehe ich mir von einer Mühle aus den Feuerzauber nochmal in aller Ruhe an, bis ich auch von dort vertrieben werden. Der englische Angriff und noch mehrere an diesem Tage wiederholte werden abgeschmiert. Es schießt dauern recht stark. Mittags mache ich einige Aufnahmen.

Am 29. früh kommt Befehl zum Abrücken, wir wreden abgelöst. Kaum sind wir mit den Werfern aus Betancourt [unleserlich] heraus, da setzt das Trommelfeuer wieder ein. Hinten bleibts ruhig, und wir ziehen gemütlich nach R. [unleserlich] zurück. Nach dem Nachkausekommen wird gepackt.

Der Morgen des 30. Oktober findet uns (Bölike's Tod. Cambray.) marschbereit, und gegen 11ºº gehts los. Mein Pferd lahmt, ich muß zu Fuß gehen, was aber auch nicht schadet. Vor Goureancourt wird Halt gemacht und an der Landstraße gegessen. Unsere Argonnenhühner haben dran glauben müssen, bekamen aber ausgezeichnet. Gegen ½3 marschieren wir weiter - das Wetter ist miserabel - mal schneits, mal regnets, mal hagelts wieder. Wir sind klatschnaß.

Gegen 6 treffen wir in Villers Autrèausse ein. Im Finstern wird Quartier gesucht. Ich wohne mit Nedden zusammen, und wir trocknen uns am Ofen. In tadellosem Bett schlafe ich ausgezeichnet. Der Sonnenschein macht mich erst munter. Wir gucken uns im Dorfe um und besuchen die anderen Herren. Das Dorf ist ziemlich groß - etwa 3000 Einwohner. Der Nachmittag wird in angenehmer Gesellschaft meiner Quartiersleute verplaudert. Germaine ist ein ganz hübsches Mädel. Schade daß ich früher so wenig Gelegenheit hatte, französisch zu sprechen - na, ich verständige mich auch so ganz gut.

Am 1. November bleiben wir auch noch. Es regnet wieder. heute Nacht sollen wir abrücken - meinetwegen hätten wir ruhig noch einige Tage bleiben können. Mit Jost und G. zusammen feiere ich noch bei einem feinen Glase Rotwein Abschied, und um ½12 marschieren wir ab nach Fressois [unleserlich] . Der Marsch war enig schön; schon von großer Weite sahen wir die Lichter des Ortes, udn wirk kamen nur so langsam näher.

Um ½5 früh sind wir endlich da, bald ist auch alles verladen und wir fahren ab. Müde schlafe ich bald ein. In Terguier [unleserlich] gibts um 9ºº schon die erste gute Verpflegung, dann gehts weiter über Charleville, Sedan bis Anignan ??, wo es um 5ºº nachmittags wieder etwas zu Essen gibt. Auf alter Strecke rollt unser Zug über Nougnyin, [unleserlich] Breflaus-Larmy nach Mars-la-Tour. Hier entladen wir und marschieren von 12 - 5ºº nachmittags nach Avillers. Der Marsch ging durch eine größere Anzahl von Ortschafen - in Woël hätten wir uns beinahe verlaufen - außerdem versoffen wir fast im Dreck. Quartiere müssen erst gemacht werden, und so stehen wir in ziemlicher Kälte auf der Straße in Avillers - Affenweiler genannt.

Endlich sind wir alle untergebracht - mein Quartier ist nicht sehr schön, die Hauptsache ist ja erst mal ein Dach überm Kopf. - Ich fühle mich in der Gegend beinahe heimisch, da ich sie aus Erzählungen meiner alten Kameraden vom 5. Bataillon her kenn. Abillers ite ein nicht allzugroßes Dorf, für Verduner Verhältnisse sehr sauber. Vor uns liegt die Côtes und die Cornbres-Höhe, aus den Kämpfen von 15 hinreichend bekannt. Wir lösen die M.W. Komp. 10 ab, und ich treffe dabei mehrer Bekannte (Oblt. Nobeling - Winkler) - alles 5er. Und das wird gefeiert, selbstverständlich. Am nächsten Tage, 4. November, bekomme ich für meine Ruhetage die Ortskommandatantur in die Hand gedrückt, und gibt auch gleich Arbeit. Nachmittags werde ich gleich zum Pi. [unleserlich] befohlen, und ich mache mich auf den Weg nach Haunewille; auch dort treffe ich wieder einen Bekannten: Ltn. Schmieding. Abends sitze ich mit Jost bei Doktors Quartierleuten, wo wir auch essen. Mit der Alten und den Töchtern des Hauses - übrigens sehr nette Leute - unterhalten wir uns ausgezeichnet. Georgette und Berthe sehr jung. Es gibt Post.

5. November. Am Nachmittag Ortskommandantur-Geschäfte. Nach dem Essen sitzen wir noch etwas zusammen, da bricht ein Stückchen weg von uns Feuer aus - ein Offizierswohnhaus, das sich die Liegnitzer Grenadiere gebaut hatten, steht bald in hellen Flammen. Mit Mühe gelingt es, die danebenstehenden Holzbaracken zu halten. Nachher bummeln wir ein bißchen durchs Dorf; auf dem Kirchhofe finde ich zwei Schul- und später Kriegskameraden, die von einer Granate getroffen nun auch im selben Grabe ruhn. Reiche und Hiller. Am Abend gibts wieder französische Unterhaltung.

6. November. Ich habe einen Plan unseres Dorfes fertigzustellen - jedes Haus mit Kellerung undsoweiter. Es handelt sich um eine ebentuelle Sprengung, falls etwas vorkommen sollte. Nachmittags muß ich als Ortskommandant nach Jonville [Jonville-en-Woëvre] zu einer landw. [unleserlich] Besprechung. Freund Jost hilft mir beim Plan, sodaß ich nicht alles allein zu machen brauche, denn es gibt allerhand dabei zu tun, und er muß bald fertig sein. An den nächsten Tagen bin ich wieder einmal in Hauneville (Hannonville [unleserlich]) und in St. Maurice, wo wir uns gratis eine Kintopp-Vorstellung ansehen können. Mein Plan wird fertig, s'ist auch höchste Zeit, denn am 10. November früh gehts in Stellung. Der Weg geht durch St. Maurice, dann auf die Côtes und die schnurgerade Franchée entlang immerfort im Wald bis nach vorn. 3½ Stunden Weg. Ich übernehme die Stellung - die Stände sind nicht sehr gut, genügen aber. Die erste Infanteriestellung ist sehr gut ausgebaut. Mein Gefechtsstand „Waldwinkel“ ist gut, nur etwas finster. Nebenan Telefonzentrale. Auf meinen täglichen Spaziergängen lerne ich die Stellung bald kennen. Eigenartig wirken einige französische Geschütze, die noch von früher her dortstehen, mit den Mündungen gegen uns zwischen den Gräben halb vergraben sind. Von unseren Beobachtungen aus können wir fein die feindliche Stellung übersehen.

Tagsüber ist ziemlich lebhafter Minenkrieg, sodaß unsere hinteren Gräben und die Gegend unserer Werferstellungen ziemlich zerschossen sind. Wir erwidern kräftig und verschießen täglich bis zu 100 mittleren und viel mehr leichten Minen. Im Unterstand wirds in der langen Zeit etwas langweilig - mit Lesen und Schreiben kommt man darüber hinweg. Das Wetter ist fein klar und es fängt schon an zu frieren.

Am 16. November früh kommt Ablösung. Ich übergebe die Stellung meinem Nachfolger und fahre nachmittags mit unserem selbstgebauten Wägelchen nachhause. Ziemlich durchfroren finde ich mein Zimmer, das schöng geheizt und schon etwas eingerichtet ist, sehr angenehm. Wir sind inzwischen aus unseren Dorfquartieren in ein „eigens“ von einer früheren Minenwerferkompanie gebautes Haus eingezogen. Das Häuschen ist sehr nett, jeder hat eine Bude, das Kasino ist ganz gut eingerichtet. Nachts ist es allerdings ziemich kalt. Bis 22. November amüsiere ich mich hinten. Abwechslung gibts allein schon durch die Ortskommandantur genug. Es fängt an zu schneien, aber der Schnee verwandelt sich bald in Dreck - keine Freude bei dem Lehm.

Am 20. abends besuchen wir den Musenstall in St. Maurice. Ein richtiges Thater hinter der Front im betonierten Keller eines Hauses untergebracht. Soldatenkünstler treten auf und bringen sehr gute Sachen. Seit langer Zeit höre ich wieder einmal vernünftiges Streichkonzert. Das Bier ist ausgezeichnet, und wir kommen erst um 3ºº nachts in bester Stimmung in unser Quartier zurück.

Am 22. November früh fahre ich wieder in Stellung, es ist kalt und neblig. Der Tag vergeht mit der üblichen Schießerei. Wir zwingen einen feindlichen Werfer seinen Platz zu verlassen. In den nächsten Tagen herrscht übles Regenwetter, sodaß die Gräben naß und sehr schmierig sind. Die Stellung hat in den letzten Tagen sehr gelitten, teilweise so zerschossen, daß ich mich kaum zurechtfinde. Wir bringen noch zwei leichte und einen mittleren feindlichen Werfer zum Schweigen, und dann gehts am 28. November wieder nach hinten. In dem dicken Nebel kann man kaum 20 m weit sehen. Vom „Mörserknick“ ab fahre ich mit dem Buzelbähnchen [unleserlich] weiter, es ist zwar sehr kalt, aber angenehmer als Laufen. Von der Endstation ists nicht mehr weit nach St. Maurice, und zum Kaffee bin ich schon zurück. Der Abend findet uns wieder im „Musenstall“, teils dasselbe - teils besseres Programm.

An den nächsten Tagen wird exerziert - es ist doch ganz gut, daß wieder mal ordentlicher Zug in die Leute kommt. An einem Tage fahre ich anstelle von Leutnant Wahl für die Infanterie-Offizier-Ausbildung am leichten Minenwerfer. Abends sitze ich gewöhnlich mit Jost Nedden zusammen beim Doktor oder bei dessen Quartiersleuten.

Durch eine am 5. Dezember stattfindende Schießerei verzögert sich unsere Ablösung, sadaß ich erst am 6. Dezember nach vorn gehe. Der Schnee der vorhergehenden Tage ist noch nicht ganz weggetaut, die Gräben stehen halb voll Wasser, und das Rumlaufen macht keine Freude. Es ist ausnahmsweise ruhig - nur die Artillerie funkt etwas in der Gegend herum. Erst am 10. Dezember früh, wie die Ablösung kommt, wirds etwas lebhaft. Mein Bursche und ich troddeln langsam nach hinten. Mein Pferd wird mir entgegengebracht unch bald bin ich zuhause. Hier höre ich, daß ich für einige Tage zur Artillerie kommandiert werden sollte, da außer mir kein anderer Offizier der Kompanie frei ist. Leutnant Voss ist auf Urlaub krank geworden, und Leutnant Wahl hat keine Infanterieausbildung.

Am 11. Dezember fahre ich dann auch los über [unleserlich] Hamonville und melde mich beim Artilleriekommandant Gruppe Ost, der mich gleich in eine Batteriestellung schickt. Bei schwachem Mondschein bringt mich ein Führer auf überaus schmutzigem Wege zum Gefechtsstand der 9. Batterie Res. Feld-Artillerie 1914. Der stellvervtretende Führer Leutnant Schöffler nimmt mich sehr gut auf. In den folgenden Tagen lerne ich seine Haubitzen und andere Kanonen-Batterien kennen. Bei sehr klarem Wetter besuche ich einige Beobachtungen. Von einer hohen Fichte aus kann man das ganze Verdun-Gebiet übersehn. Mit bloßem Auge erkenne ich den Gr [unleserlich] auf den Romagner Bergen bei Damvilles. Luftlinie etwa 40 - 45 km. Ebenso sehe ich das schwere Artilleriefeuer bei Höhe 304, westlich von Verdun. Vor uns liegt die völlig zerschossene Combres-Höhe und die Côte-des-Herres, dahinter die weite Woëvre-Ebene. Die Abende vergingen in angeregter Unterhaltung sehr rasch, die Verpflegung ist ausgezeichnet. Anläßlich der Beförderung eines Offiziersstellvertreters zum Leutnant gibt es eine vorzügliche Bowle.

Am 16. Dezember ist mein Kommando herum. Am Morgen habe ich noch bei sämtlichen Batterien der Gruppe die Handgranaten zu prüfen und lerne bei dieser Gelegenheit noch sehr viel Neues kennen. Interessant sind vor allem zwei russische 15-cm-Festungsgeschütze, die sie seinerzeit in Kower erbeutet nun die Franzosen mit russischer Munition beehren. Abends gehe ich wieder nach Avillers zurück. Hier höre ich, daß Leutnant Wahl seinen rechten Arm gebrochen hat und ebenfalls von der Kompanie weg ist.

Der 17. Dezember vergeht mit Besorgungen und Besuchen. Fernande hat mir einen schönen Lampenschirm gemacht. Die ersten Weihnachtspäckchen sind auch schon eingetroffen. Am Morgen des 18. gehts schon wieder in Stellung. Hier draußen alles beim Alten. Der Franzmann benimmt sich sehr anständig. Die Zeit vergeht mit Gängen durch die Stellung. Besuche bei der Infanterie, Lesen und Schreiben.

Am 23. Dezember früh werde ich abgelöst. Ich reite wieder zurück. Abends sitze ich mit dem Doktor bei Fernande. Wir unterhalten uns recht gut. Und nun kommt der 24. Dezember - heiliger Abend. Früh putze ich auch, wie zuhause als Junge, den Christbaum für unser Kasino. Mittag essen wir kalt, damit wir zum Abend etwas haben. Um 7ºº ist Einbescherung und Feier der Leute, die recht eindrucksvoll ist. Die Mannschaften kriegen trotz der ziemlich langen Kriegsdauer nocht recht [unleserlich] Gaben. Wir Offiziere feiern nachher im Kasino; bei einer vorzüglichen Pfirsichbowle sitzen wir lange zusammen - unser Grammophon gibt die Musik. Es ist ja alles recht nett, aber lange nicht so, wie es zuhause immer gewesen ist. Von meinen Lieben kriegte ich ein dickes Paket mit allerhand guten Sachen. Auch liebe Bekannte haben an den „alten Krieger“ gedacht, sodaß ich nicht sagen kann, wenig bekommen zu haben. Am 1. Feiertag ruhe ich mich erstmal ordentlich aus. Etwas Besoderes ist auch nicht los. Doktors Quartierleuten und der Fernande schenke ich einige Kleinigkeiten.

Am 28. Dezember fahre ich wieder in Stellung. In der Zwischenzeit sind noch eine Anzahl von Werfern eingebaut worden, sodaß ich jetzt allein in meinem Abschnitt mehr habe als sonst eine ganze Kompanie. Man vermutet einen französischen Angriff, und das gibt natürlich viel Arbeit. Fast den ganzen Tag sause ich draußen herum, was bei dem Wasser in den Gräben keinen Spaß macht. So langsam ist Sylvester herangekommen. Mit Mühe und Not treibt mein tüchtiger Brockstedt 2 Flaschen Rotwein auf, denn auf einen Glühwein will ich doch nicht gern verzichten. Der Franzose ist ganz artig. Mit einem meiner Telefonisten, einem Oberlehrer [unleserlich], der später auch bei uns Offizier wurde) spiele ich Schach ins neue Jahr hinüber. Von allen Ständen werde ich angerufen. Die nächsten Tage vergehen rasch, und am 3. Januar [1917] gehts nach hinten. Hier habe ich durch die Ortskommandantur viel Arbeit. Wir bekommen Einquartierung - 6 Grenadiere - und die sind nur schwer unterzubringen. In der übrigen Zeit die übliche Beschäftigung. Schreiben, Lesen und Besuche bei Zivilbevölkerung. Es schneit tüchtig, taut aber immer gleich wieder.





→1917