Am 9. Januar [1917] früh fahre ich wieder in Stellung, bleibe aber nur bis nächsten Abend. Ich habe einen neuen Vizefeldwebel einzuführen. Wir schießen uns auf verschiedene Ziele ein, denn in den nächsten Tagen soll ein Patrouillen-Unternehmen steigen. - Sehr hungrig laufe ich am 10. abends zurück.
Den nächsten Abend bringen wir wieder einmal im Musenstall zu und erfreuen uns am neuen Programm. Am Morgen den 12. hört man eine vorne etwas stärkere Schießerei. Das Unternehmen, für das unsere Kompanie dann eine dicke Belobigung kriegt.
Bis zum 20. Januar bin ich unten in unserem lieben Avillers. Manchen Abend gehen wir nach Woël, unserm Nachbardorfe, in den Malkasten, wo es ausgezeichneten Wein gibt. Die übrige Zeit vergeht wie gewöhnlich mit Arbeit durch die Ortskommandantur und Besuchen bei der Zivilbevölkerung. Es schneit tüchtig und der Schnee bleibt ausnahmweise liegen, was natürlich Anlaß zu Schneeballschlachten gibt. (Jeanne-Fernande!) Mein Waschwasser ist in Folge der eingesetzten starken Kälte jeden Morgen eingefroren.
Am 21. Januar früh fahre ich in Stellung, steige jedoch bald ab, weil es vor Kälte kaum auszuhalten ist. Außerdem rutscht der Wagen auf der vereisten Straße, daß man jeden Augenblick umzukippen glaubt. Vorn ists sehr angenehm, es ist wenigstens fein trocken in den Gräben. Da meine andere Ablösung auf Urlaub gefahren ist, bleibe ich bis 1. Februar vorn. Eine verdammt lange Zeit in dem finsteren Bunker, die aber in Gesellschaft eines Infanterieoffiziers mit Schachspiel usw. doch ziemlich rasch vergeht. Kaisers Geburtstag ist dicker Feuerzauber, der Franzmann schießt Sperrfeuer - warum weiß er wohl selbst nicht. Verluste gabs nicht, nur die Gräben haben etwas gelitten. Daß wir uns das nicht ruhig gefallen ließen, ist selbstverständlich. - Nachts ists in meiner Behausung etwas unangenehm, da es von Ratten, denen es wohl draußen zu kalt geworden ist, wimmelt. Unter meinem hölzernen Keilkopfkissen hat sich eine Mäusefamilie häuslich niedergelassen, die ich aber wegen nicht richtiger Mietezahlung bald wieder hinauswerfe.
Der 1. Februar bringt Ablösung, die ersten Tage hinten gehen wie gewöhnlich um - abends zur Abwechslung Musenstall und Malkasten, wo sich immer die richtige Gesellschaft zusammenfindet.
Am 5. fahre ich mit unserm Doktor und Jost Nedden nach Metz, angeblich um Sachen einzukaufen, die uns bei einem großen Brande am 27. Januar, dem unsere sämtlichen Mannschaftsbaracken zum Opfer fielen, mitverbrannt sind. Am Nachmittag besehen wir uns die Stadt und freuen uns, wieder einmal in Deutschland sein zu können. Auf dem Bummel ein unheimlicher Betrieb - der Abend im Café und der nächste Vormittag vergehen mir zu schnell, und da unser Geld futsch ist, fahren wir wieder nachhause.
Am 8. geht es wieder nach vorn, wo es inzwischen etwas lebhafter geworden ist. Wir verschießen in den nächsten Tagen bis zu 140 Minen an einem Nachmittage. Es geht das Gerücht, die Division wird abgelöst und soll 6 Wochen in Ruhe kommen.
Am 13. Februar kommt meine Ablösung. Wir sollen in den nächsten Tagen wirklich herausgezogen werden. Am Abend gehen wir in den Malkasten nach Woël, wo es urgemütlich wird. Ich treffe einen bekannten Glogauer, mit dessen Bruder ich die Schulbank gedrückt habe, dann gehen wir mit nicht allzu leichtem Kopf nach unserem Avillers zurück. In den nächsten Tagen packen wir so langsam zusammen, es werden Abschiedsbesuche gemacht. Die M.W.K. Minenwerferkompanie 9 löst uns ab.
In der Nacht 17./18. Februar marschieren wir von Avillers über St. Maurice nach Vigreulles, wo wir verladen sollen. Ehe unser Zug kommt, sind wir halb erfroren - endlich ists soweit, dann verladen wir bei einer Stockfinsternis, was auch kein Vergnügen macht. Am 18. früh 6ºº dampfen wir ab, ich mache es mir bequem, und wie ich aufwache, sind wir bereits in Longuyon. Dann fahren wir noch ein Stückchen weiter, kommen gegen Mittag in Dony an und marschieren nach erfolgter Entladung nach dem nahegelegenen Brévilly , wo wir unsere Ruhe verbringen sollen. Die Quartiere sind gerade zum Totlachen, keine Öfen, dafür aber eine hundsgemeine Kälte. Die Ortsmachtstube ist der einzige warme Ort, an dem sich alles zusammenfindet. Ein größeres Zimmer richten wir uns als Kisaino ein und bauen uns unterm Kamin aus Ziegelsteienn einen Ofen, der wenig wärmt.
Am Nachmittage des 19. reite ich mit Nedden nach dem nur 7 km entfernten Bazeilles - aus dem Kriege von 1870 hinreichend bekannt. Im Maison de la dernière Cartouche [maisondeladernierecartouche.com] besehen wir Sedan. Es ist recht interessant, besonders wenn man diese alten Sachen mit den neuesten Errungenschaften der jetzigen Kriegstechnik vergleicht. - Am nächsten Vormittage wird exerziert - auf der feuchten Wiese auch keine Freude.
Mit unserem Doktor fahre ich am 21. nach Sedan, schauen uns die Stadt ein bißchen an, und da es uns dort zu langweilig ist, weiter nach Charleville. Hier essen wir vorzüglich zu Abend, und dann gehts wieder nachhause. Leider hält der Zug nicht auf unserer Station, und so sind wir gezwungen, bis Barignon zu fahren und von dort 2 Stunden heimwärts zu laufen. Bei Hellwerden sind wir erst im Quartier, und um 8ºº stehe ich schon wieder auf dem Exerzierplatz.
Der nächste Tag bringt uns schon wieder Abmarschbefehl, also wird gepackt und der Dinge gewartet [unleserlich], die da kommen sollen.
Am 25. früh wird in Douzy verladen, und wir fahren über Sedan, Charleville, Hirson, wo wir verpflegt werden, nach Masle. Am Abend kommen wir an und beziehen in dem etwa 20 Minuten entfernten Martigny Quartier, das ganz gut ist. Montigny ist ein kleiner, aber anscheindend recht wohlhabender Ort.
Den nächsten Abend sind wir in Charbe in einem feinen Kasino. Unser neuer Offizier-Stellvertreter Rasper spielt ausgezeichnet Klavier, und so leeren wir immer ein Gläschen nach dem andern, und finden nur langsam nachhause.
Der nächste Tag bringt nichts besonderes. Für den Nachmittag des 27. war für mich Exerzieren angesetzt. Inzwischen war aber schon wieder Abmarschbefehl gekommen, und wir rücken 18 km nach Besenton Bugny in der Nähe von Laon. Da es auf dem Pferde bald zu kalt wird, laufen wir alle und freuen uns, ein gutes Quartier vorzufinden. In einem fein eingerichteten Zimmer verbringen wir bei sehr gutem Klavierspiel am flackernden Kaminfeuer den Abend. Es war eine richtige Feierstunde.
Leider bleiben wir nicht lange - am 2. März früh 4ºº ziehen wir bei Laon vorbei nach dem 26 km entfernten St. Croix. Es ist sehr kalt, läuft sich aber gut. Mittags kommen wir an, und nach kaum verschlungenem Essen fahre ich mit einigen [unleserlich] in Stellung, um diese von einer württembergischen Kompanie zu übernehmen. Wir kommen zuerst in die Befehlsstelle, die sehr hübsch gebaut und gut eingerichtet ist. Deckung hat sie leider nicht, da sie sehr geschützt am Hange liegt. In der Hoffnung, ebensolche Werferstände vorzufinden, sahen wir uns leider enttäuscht - gut ist anders.
Die Stellung selbst ist ganz gut ausgebaut, aber furchtbar dreckig, man versäuft fast im Lehm. Artilleriefeuer gibts fast garnicht - so ruhig hatte ichs noch nie angetroffen. Eine zeitlang soll es in der Stellung mal so ruhig gewesen sein, daß man bei eventuellem Friedensschluß erst durch Glockengeläut aufmerksam geworden wäre.
Den ganzen 3. renne ich noch in Stellung herum; der Abschnitt ist ziemlich groß, und an einigen Stellen landschaftlich recht reizvoll. Interessant sind die vielen Höhlen hier oben auf dem Hochplateau. Von den Beobachtungen aus kann man über das Aisnetal hinweg weit nach Frankreich sehen.
Am 4. März werde ich zum Regiments-Kommandanten der R7.R.78 befohlen. Er wohnt in Chersnivy, einem Dorfe nicht weit hinter der Stellung, das seltsamerweise noch sehr gut erhalten ist. Am Nachmittage bringe ich leichte Werfer nach vorn und baue sie ein.
Der 5. März vergeht mit Orientierungsgängen in Stellung. Am nächsten Mittag kommt meine Ablösung. Bleibe aber zur genügenden Einrichtung noch bis zum 7. vorn. Dann wandere ich nach St. Croix zurück - mir unterwegs das Kloster Vanclore besehend. Unsere Kompanie hat inzwischen Zuwachs bekommen: Leutnant Kunstmann, den ich schon vom 5. Bataillon her kenne, und Leutnant Fischer - ein Bespannungs-Offizier. Die Tage unten vergehen mit kleinen Spaziergängen - am Abend finden wir uns beim Doppelkopf zusammen.
Am 9. März früh gehe ich mit dem Kompanie-Führer nach vorn. Es ist ausnahmsweise schönes Wetter, es hat wieder gefroren, der Schnee liegt etwa 30 cm hoch, und vorn sind einige Gräben so vollgeweht, daß man kaum durchkam. Auf dem Rückwege haben wir Gelegenheit, einen interessanten Fliegerkampf anzusehen.
Am 11. März bekommen wir Befehl, in ein anderes Dorf in der Nähe zu rücken, da St. Croix für neu angekommene Truppen gebraucht wird.
Am 12. ziehen wir nach Ployart. Die Quartiere sind sehr mäßig - wir wohnen zu 4. und 5. zusammen in einer Holzbude am Ende des Dorfes. Gleichzeitig Kasino. In den nächsten Tagen wirds besser, die Zivilbevölkerung muß den Ort räumen, und wir richten uns nach gründlicher Säuberung eine gemütliche Bude ein. Ich wohne mit Nedden und Kunstmann zusammen mitten im Dorfe. Die Zeit vergeht mit Spazierritten nach hinten und mit Gängen nach Stellung.
Am 24. März gehe ich wieder für längere Zeit nach vorn. Unser Divisions-Abschnitt ist inzwischen wesentlich verkleinert worden - eine Menge Artillerie und Minenwerferbataillone sind herangekommen, sodaß wir uns auf etwas besonderes gefaßt machen müssen. - Wir bereiten ein Unternehmen vor, um uns zu vergewissern, was los ist. Es gibt sehr viel Arbeit mit dem Einbau der Werfer und dem Heranbringen der Minen. Der Franzmann fängt nun auch an etwas lebhafter zu werden. Mehrmals schießt er dicht an unsere feine Villa heran - im Telefon-Unterstand nebenan wird einer unserer Leute schwer verwundet.
Am 30. soll das Unternehmen stattfinden, wird aber wegen des herrschenden Sauwetters auf den nächsten Tag verschoben. Genau das gleiche Wetter - trotzdem findet die Schießerei statt. Ich habe eine schwerfe Werfergruppe und sitze im ersten Graben auf Beobachtung. Der Sturm beeinflußt das Feuer ganz außerordentlich - der Franzmann antwortet fleißig, sodaß meine Strippe bald zerrissen ist. Durch Läufer versuche ich die Verbindung aufrecht zu erhalten - und so wird lustig weitergeballert. Das Feuer der mittleren Werfer liegt direkt vor mir - einigemal kann ich mich kaum vor Kurzschüssen retten. Durch das lebhafte feindliche Feuer gehts dann nach hinten und nach Ployart zurück. Im Dorfe ist alles unverändert. Den nächsten Tag fährt Leutnant Fritz auf Urlaub - ich übernehme als ältester Offizier die Führung der Kompanie, die allerhand Arbeit mit sich bringt. Es schwebt schon wieder ein neues Unternehmen, wegen dem ich mich am 3. April mit [unleserlich] R.7.R.92 in Buanoville in Verbindung setze.
Der Franz. will angreifen, und so wird nun überall am Ausbau der Stellungen gearbeitet. Die Befehle von oben überkugeln sich. Am 5. April gehe ich wegen des Unternehmens in Stellung, es soll stattfinden, sobald besseres Wetter wird. In unserem Dorfe fängts an, ungemütlich zu werden. Der Franzose schießt davor und dahinter, nimmt sich besonders die Straßen vor, doch verschont er noch das Dorf. Die Artillerie hat sich schon zurückgezogen, nur Infanterie und wir liegen noch dort.
Am 7. und 8. war das Wetter sehr klar, und so konnte der böse Feind alles fein beobachten. Am 9. regnet es wieder. Abends sitzen wir alle gemütlich beim Doppelkopf in unserer Bretterbude, aber der Franz verdirbt uns mit seiner blöden Schießerei in der Nähe den Spaß. Leutnant Stendebach setzt sich an das erst heut gefundene Klavier, übrigens sehr gut, und spielt so laut drauf los, daß es das Heulen und Krachen der Granaten übertönt. Als dann aber einige Brocken durch die Wand kommen, hörten wir doch auf und gingen schlafen. Kaum liegen wir, da kommt ein Schuß mitten ins Dorf, noch einige folgen, und dann ziehen Jost und ich vor, in den Keller zu gehen. Erst gegen 2ºº wirds wieder ruhig, und wir schlafen bis gegen 5, wo uns eine in etwa nur 20 m Entfernung von uns eingeschlagene Granate wieder in den Keller treibt. Wir warten, es kommt aber nichts mehr.
[Randbemerkung:] Osterfeiertage
Ärgerlich über diese unverschämte Nachtruhestörung kriechen wir wieder ins Bett, und pennen bis 9ºº durch. Ich gebe dann der Kompanie bekannt, wo sie sich im Falle einer erneuten Beschießung sammeln soll. Gegen Mittag fängt der böse Feind wieder an - auf unsere Kasino-Ecke aber noch nicht, sodaß wir erst ruhig essen können. Die Schüsse kommen aber immer näher, und wir verziehen uns deshalb in den Keller eines neben uns liegenden größeren Gutshofes. Wir brauchen nicht lange zu warten, da gehts schon los. Wir holen noch schnell unser Gepäck aus unseren Quartieren - auch keine Freude, durch den unter lebhaftem Feuer liegenden Ort hindurchzulaufen. Die Schüsse folgen immer häufiger aufeinander.
Unserer Ferme [unleserlich] scheint sich der Franzmann besonders angenommen zu haben. 5 Schuß kriegt das Haus, 2 gehen auf den Keller, der aber gottlob aushält. Der Eingang ist allerdings verschüttet. Gegen 5ºº wirds ruhiger - jetzt kommt das neben uns liegende Arranoy dran. Ich besehe mir mein altes Quartier - zerschossen. Unter diesen Umständen verlassen wir am Abend Ployart und ziehen am Abend in ein von uns schon angefangenes Lager in die Nähe von Festieux. Ein kleines Kommando - zum Abbrechen unserer Holzbaracken - bleibt zurück, wir brauchen hinten die Bretter. Im Waldlager verbringe ich die Nacht in einem offenen Loch - es ist ziemlich kalt. Ein französischer Flieger beleuchtet uns mit seinem Schweinwerfer, scheint aber nichts entdeckt zu haben. Wir bauen weiter an unserem Lager, kurze Spaziergänge führen mich in die großen Höhlen in dieser Gegend. Sie sind alle voll Militär.
Am 12. April morgens wird volle Kampfbereitschaft befohlen - der französische Angriff wird erwartet. Von der Höhe vor uns können wir weit nach vorn sehen - die Stellung und weit dahinter liegt unter furchtbarem Trommelfeuer. Durch eine in unseren feinen Gefechtsstand einschlagende Gasgranate wird Leutnant Kunstmann vergiftet und stirbt einige Tage später im Lazarett am Notre Dame de Liesse. Schade um den lieben Kerl, ich hatte ihn in der kurzen Zeit, die er bei uns war, recht lieb gewonnen.
Im Lager arbeiten wir mit Hochdruck; Baumaterial wird aus Ployart und Festienne, das ebenfalls unter schwerem Feuer liegt, herbeigeholt. Für die Nacht haben wir Offiziere eine kleine Holzbude von 4 × 2.50 zusammengeflickt. Diese Bude ist Wohn- und Schlafzimmer, Kasino und Küche für 7 Offiziere. Zum Überfluß regnets auch noch, sodaß es nicht gerade angenehm ist. In den folgenden Tagen wird weiter gearbeitet. Aus Stellung werden kleine feindliche Vorstöße gemeldet.
Am 16. April früh beginnt dann der richtige Angriff - die Franzosen bekommen nicht mal unsere ganze erste Stellung. Leutnant Nedden, der Leutnant Wahl in der Nacht abgelöst hatte, wurde durch einen Granatsplitter leicht verwundet. Leutnant Wahl durch einen Maschinengewehrschuß. Unsere Leute, die nicht mehr bei den völlig verschütteten Werfern bleiben können, ziehen sich hinter den Hang zurück und erwarten dort den Angriff. Einen großen Abschnitt halten sie ganz allein und schlagen sich ausgezeichnet. Eine große Anzahl Gefangene, darunter 1 Oberst, werden von ihnen gemacht. Mit den Schwarzen haben sie gründlich abgerechnet. Mit Waffen aller Art, photographischen Apparaten und Ferngläsern bewaffnet kommen sie in der Nacht ins Lager zurück, nachdem neue Infanterie vorn eingerückt war. Unsere Verluste sind nicht allzugroß - ein kleiner Teil wurde gefangen. Für das zähe Aushalten in Stellung bekommen sofort 2 Unteroffiziere das Eiserne Kreuz I, und außerdem bekam die Kompanie 27
In den folgenden Tagen werden alle weiteren französischen Angriffe abgeschlagen. Am 18. kommt der Kompanieführer zurück - ich bin meines schweren Amtes enthoben. - Die hauptsächlichsten Lagerarbeiten sind soweit beendet. Für die Mannschaften ist schon eine große Baracke fertiggestellt. Unser neues Kasino kann in 2 Tagen fertig sein. Wir taten aber nichts mehr daran, denn am 20. löst uns die Minenwerferkompanie der 1. Garde-Division ab.
Der 21. ist Marschtag, wir sind froh, diese ungastliche Stätte verlassen zu können. Gegen 17ºº Nachmittag kommt die Kompanie nach längerem Marsch über Conoy-les-Eppes, das noch unter Feuer liegt, - Mauhaus-Notre Dame de Liesse - Chivres in Mârhecourt an, und bezieht hier Quartier. Ich habe mit Stendebach zusammen eine ganz nette Bude. Das Nest ist sonst ziemlich öde, die Umgegend bietet wenig Reiz. Anstelle des verstorbenen Leutnant Wahl bekomme ich das Kriegstagebuch zu führen - eine Heidenarbeit, über die ich mich sofort hermache. Ich reiche Urlaub ein, habe aber wenig Hoffnung.
Am 23. fahre ich mit dem Doktor nach Vevvins, um unsere Verwundeten zu besuchen, es geht ihnen schon ganz gut. Wir besehen die Stadt, und erwischen dann ein Auto, das uns bis Marle bringt, wo unser Wagen wartet. Wir essen erst noch mal fein im Kasino, und dann gehts heimwärts. Das Kriegstagebuch der Kompanie beschäftigt mich jetzt den ganzen Tag. Ich bekomme Urlaub - es muß aber erst fertig gemacht sein. In Notre Dame de Liesse besuche ich noch einmal das Grab von Leutnant Kunstmann.
Am 27. April kann ich meinen Urlaubskoffer packen. Hurra, endlich wieder einmal nachhause, wo ich am 29. früh ganz unerwartet ankomme. Die Freude ist groß - überall. Nach einigen Tagen kommt von der Kompanie eine Karte; Kompanie auf dem Transport, es ist zu warten, bis näherer Bescheid kommt, welches Marschziel zu nehmen ist. Eine Woche später werde ich eines Morgens frühzeitig wegen eines Telegramms geweckt: Marschziel ist Mitan in Rußland. Also nach dem Osten - eine Luftveränderung tut mal ganz gut. Aus Freude springe ich gleich aus dem Bett. - Nichts vergeht schneller als 14 Tage Urlaub, und so muß ich auch wieder ans Abreisen denken. Um Rußland etwas kennen zu lernen, fahre ich über Warschau (1. Nacht Wilna, 2. Nacht Likudan) nach Mitan, wo ich erst spät abends eintreffe.
15. Mai. Hier erfahre ich, daß die Kompanie in dem 9 km entfernten Altona-Reng liegt, und da es da regnet, bleibe ich diese Nacht in Mitan, und fahre erst am nächsten Morgen nach Alt-Platon, von wo ichs nicht weit zur Kompanie habe. Zum Mittagessen komme ich gerade zurecht. Am Nachmittage fahren wir alle zusammen zu einem Essen der Pionieroffiziere der Division nach Mitan. Kalbsbraten - sehr gut - Weine noch besser. Der Abend im Klubhause des kurländischen Adels ist äußerst gemütlich (Doktor - Lazarettauto!). Mit Hellwerden des 17. kommen wir erst nachhause.
Unsere Kompanie hat während meiner Abwesenheit Ersatz bekommen: Leutnant Weißenbach, ein Offiziersstellvertreter, der nicht lange bleibt, und zwei Vize-Feldwebel - Gätjens und Ebhardt. Unsere ganze Division liegt in Ruhe - es soll exerziert werden, was mir allerdings nicht allzuviel Spaß macht. Altona-Reng ist ein größeres Gasthaus an der Straße Mitan-Sihaulen. Wir Offiziere bewohnen zusammen ein großes Zimmer, nebenan ist das Kasino mit einem nicht sehr guten Flügel. Die Mannschaften sind in umliegenden Gehöften gut untergebracht.
Am 18. Mai vormittags habe ich eine Geländeübung. Von 8 - 11 streichen wir durch den Wald, dann wird der böse Feind geschlagen. Die Gegend erinnert an die rechte Oderseite bei Glogau. Schöner Wald, Wiesen und spärliche Felder. Abends bekomme ich Befehl, den beurlaubten Führer des Scheinwerferzuges Leutnant [unleserlich] zu vertreten. Am nächsten Morgen reise ich los. Der Zug liegt etwa 1 Stunde weit von uns weg in Kalnesch, nahe bei Mitan. Hier bin ich Gutsherr, bewohne ein großes Zimmer mit Schlafzimmer nebenan. Besser kann man es garnicht haben - nur so allein ist es nicht schön. Die Verpflegung ist gut, habe sogar früh und Nachmittag Milch. Der Zug soll über den vorüberfließenden Bach eine Kolonnenbrücke bauen. Nachmittag suche ich Holz aus und fahre bei der Kompanie mit ran. Am Sonntag Nachmittag besucht mich unser Doktor. Wir gehen nach Mitan zum Promenaden-Konzert, essen Abendbrot im Kasino, und sind erst ziemlich spät zuhause.
In der folgenden Woche keine Veränderungen, wir beginnen mit dem Bau der Brücke. Nachmittags bin ich meist bei der Kompanie zum Kaffee, hole meine Post ab und höre die interessanten Nachrichten von der Front. [unleserlich] den Pässen müssen ja tolle Zustände sein, jeder Truppenteil macht, was er Lust hat. Offiziere, die den Leuten nicht passen, werden abgesetzt, und neue gewählt. Alle sind für einen baldigen Frieden. Die Mannschaften desertieren haufenweise und fahren in ihre Heimat zurück. Die Züge müssen fahren, wie die Soldaten befehlen. Die Infanterie weigert sich anzugreifen, nur die Artillerie ist noch in Disziplin und schießt noch. Und so erwidert auch nur unsere Abteilung das feindliche Feuer.
Am 1. Pfingstfeiertag reite ich vormittags schon zur Kompanie, um an dem Festschmaus teilzunehmen. Es gibt feine Sachen:
Das erstemal, daß ich Pfingsten in aller Ruhe so fein verleben kann - 1915 in Stellung - 16 in Chairey - hoffentlich ists das letzte Mal im Kriege. Den 2. Feiertag bleibe ich in Kalnesch, gehe nur ein Stück spazieren und schreibe Briefe.
Meinen 3. Kriegsgeburtstag kann ich nun auch endlich mal in aller Ruhe genießen. Bisher kam ich jedesmal gerade aus Stellung zurück. Am Abend kommt Leutnant Dükfeld zurück, bei einer Flasche Wein unterhalten wir uns über das Leben in Deutschland und gehen dann früh zu Bett, um am nächsten Tag zur Kompanie zurückzukehren.
Am 31. Mai feiere ich mit einem Fäßchen Bier den Geburtstag im Kreise unserer Kompanie-Offiziere, dann vergehen die Tage, einer wie der andere, mit Dienst, Spaziergängen, Ritten in der Bahn, die wir uns angelegt haben, und abends finden wir uns meist zu einem Doppelkopf zusammen.
Sonntag 3. Juni bin ich mit Weißenbach zusammen in Mitan. Abends treffen wir im Kasino fast sämtliche Pionier-Offiziere, es wird sehr lustig, und die frische Nachtluft auf dem Heimwege tut uns recht gut. Der ganze Juni bringt wenig Neues. Fast jede Woche sind wir einmal in Mitan. Wir haben jetzt einen neuen vierrädrigen Wagen, der noch aus Festiaoux tammt, wohl mal ein Brotwagen war, [Randbemerkung: helle Nächte] jetzt aber sehr sauber umgebaut ist, sodaß wir uns schon damit sehen lassen können. Mit Spazierritten ist nichts mehr, da unsere Pferde zu wenig Hafer bekommen, und vom Grünfutter keine Kraft haben. In der 2. Hälfte des Monats wird feste exerziert, da Mitte Juli eine Besichtigung stattfinden soll. Der großen Hitze wegen fangen wir schon um 6 vormittags an und hören dafür zeitig auf.
Am 12. Juni kommt Nedden zur Kompanie zurück, was natürlich gefeiert wird. - In der Nähe von unserem Quartier bietet ein kleiner Bach, der auch ziemlich tief ist, eine feine Badegelegenheit, die eifrigst ausgenützt wird. Feine Stunden haben wir am Wasser verlebt.
Am 2. Juli beim Mittagessen fragt unser Kompanieführer, wer Lust hätte, in den Krieg zu ziehen. Da sich keiner meldete, sagte ich ihm dann, daß ich sehr gerne ginge - das Exerzieren machte mir so keinen rechten Spaß. - 4 schwere Werfer werden marschbereit gemacht. Leutnant Nedden, der gerade zur Minenwerferschule nach Mitan kommandiert ist, kommt gern mit mir mit.
Und so ziehen wir am 3. Juli vormittags 10ºº zu 2 Offizieren, 2 Vize-Feldwebeln, 9 Unteroffizieren, 57 Mann und 10 Pferden frohgemut nach Bahnhof Gr. Schwedhof, wo wir verladen und um 1³º Nachmittag abfahren. Meine Lotte kommt auch mit - gern ging sie nicht von ihrem Stall weg. Wohin die Reise gehen soll wissen wir noch nicht. Wir fahren erst mal bis [unleserlich] Radziwilezki, wo wir sehr gut verpflegt werden, dann weiter nach Kaschedary.
Hier kommen wir am 4. Juli 4ºº vormittags an, werden wieder verpflegt, müssen den ganzen Tag, der sehr nett wurde, liegen bleiben, und gondeln dann nach nochmaligem Essen um 5ºº nachmittags weiter über Wilna (Verpflegung), Lida - Baranowitzski - Linowa (Verpflegung) bis Iwanowo westlich [unleserlich] Pinsk, wo wir am 6. Juli gegen 11ºº vormittags eintreffen. Um 3ºº nachmittags soll es mit der Kleinbahn weiter gehen; inzwischen essen wir im Dorfe in einer richtigen deutschen Wirtschaft mit Damenbedienung, und trinken dazu eine famose Bowle. - Gegen 6ºº nachmittags kommen wir nach verregneter Kleinbahnfahrt, fast immerfort durch Wald - in Porjetschje, einem größeren Orte mit dem Divisionsstabquartier an. Nach Meldung beim Pionierkommandeur beziehen wir sehr gute Unterkunft. Wir Offiziere und die Vize haben ein Häuschen für uns, die Mannschaften eine gute Baracke. Das Dorf macht einen ganz netten, sauberen Eindruck. Die Häuser sind aus roh behauenem Holz gebaut und mit Stroh bedeckt. Die bunt gekleidete Zivilbevölkerung paßt so recht in dieses Bild.
Am 7. abends gehen wir alle in den Kintopp und lachen wieder mal herzlich über den vorgeflimmerten Blödsinn. In dem am Dorfe vorbeifließenden Flüßchen Jadjolda baden wir natürlich fleißig.
Am 8. Juli nachmittags besucht uns der Führer der Minenwerferkompanie 281 und sagt mir, daß der Zug ihm zugeteilt wäre, und morgen nach vorn müsse. Wir ziehen also am 9. früh los über die 3 km lange, sehr gut gebaute Leopold-Brücke über die Jasjolda und dem Hochwassergebiet nach unserem neuen Lager Zehlendorf. Ich hatte mir die Unterkunft besser vorgestellt - in 2 Jahren hätte man, besonders wo man mitten im Walde sitzt, etwas ganz anderes bauen können. Na schlecht wars ja nicht, das Kasino mit seiner Skatecke war sogar ganz nett.
Gleich nachmittag rückte ich mit 3 Werfern, die bis an ihre Stände gefahren werden, nach vorn. Wir sind nur etwa ½ Stunde vom Lager entfernt - unsere Artillerie steht meist hinter uns. Die Infanteriestellung zieht sich am [unleserlich] Aginski- Rand entlang, und ist, da man nicht in Erde gehen kann, aufgesetzt. Die Werferstellungen sind auf der sogenannten Düne, einem hufeisenförmigen Sandkamm hinter dem Kanal. Die Stände sind sehr gut neuzeitlich eingerichtet - einer ist noch im Bau. Mein Gefechtsstand ist auch ganz gut - nur sehr klein. Von der Düne hat man einen feinen Ausblick auf die russische Stellung, die etwa 250-300 m von uns entfernt ist. Läßt man sich sehen gibts Gewehrfeuer.
Am 10. mittags bin ich von einem Herrn der Minenwerferkompanie 281, der den Nebenabschnitt hat, zum Essen eingeladen. Es gibt Entenbraten. Donnerwetter, das schmeckt aber. Die Enten hat er am Abend vorher selbst hinter der Stellung im Sumpfgelände geschossen. Abends bin ich wieder bei ihm - wir essen Krebse, die im Kanal vor unserer Stellung gefangen wurden. Meine Leute haben Blaubeeren gesammelt, und so haben wir auch noch einen feinen Nachtisch. Solche Tage dürfen öfter kommen, denn die sonstige Verpflegung ist recht kümmerlich, und in den Kantinen ist auch nichts zu kriegen.
Den 12. abends gehe ich mit auf Entenjagd. Wir schießen 2 Stück, von denen wir - ohne Hund - leider nur 1 kriegen, fangen noch 2 junge Enten und 3 Beckassinen. Am nächsten Tage werde ich vom Kompanieführer zum Essen eingeladen: Suppe, Hecht mit brauner Butter, Entenbraten mit Gurkensalat, und nachher zum Doppelkopf, der sich bis 9ºº hinzieht, eine feine Erdbeerbowle. Dann gehts wieder hinaus in Stellung. Es regnet schon den ganzen Tag. Sonnabend auch noch. In meinem Unterstand fängts an zu tropfen - gemein. Gegen Abend gehe ich zum Krebsessen, und nachher mache ich bei der Artillerie einen Doppelkopf mit. Alles nette Kerls! Um 11ºº nachts komme ich in meinem Bunker an, überall regnets durch, sogar über dem Bett. Decke über die Ohren und gepennt - weggeschwommen bin ich ja nicht. Sonntag vormittags hörts auf zu regnen - in meinem Unterstand aber nicht. Die unter der Decke aufgespannte Zeltbahn hält das Gröbste ab. - In der Zeit haben wir an unseren Ständen noch fleißig gearbeitet, zum Schießen sind wir leider nicht gekommen, da der Russe artig war.
Montag, den 16. Juli löst mich Nedden vorn ab, ich übergebe die Stellung und gehe nach hinten. Eine besondere Arbeit habe ich hier nicht, meine Leute behauen Holz für vorn und haben die Kleinbahn abzuladen. Außer meinem Zuge liegt in Zehlendorf nur der Meßtrupp der Kompanie 281 mit seinem Führer: Leutnant Kneise. Ein sehr liebenswürdiger, etwas älterer Herr. Die folgende Woche vergeht ohne besondere Vorfälle. Ich gehe spazieren, reite auch mal ein Stück. An einem Tage sind wir wieder einmal beim Kompanieführer im Lager Grunewald zum Essen eingeladen. An mehreren Abenden haben wir Krebse, dann sitzen wir noch lange bei gelehrter Unterhaltung zusammen. Ein Offizier der Artillerie, der auch dort wohnte, verläßt uns, da er mit seinem [unleserlich] Zuge weiter nach vorn geht. Der Russe schießt nun hin und wieder einmal mit Artillerie in der Gegend herum, man glaubt, er will angreifen, und so wird Alarmbereitschaft befohlen und Urlaugssperre verhängt.
Am 23. gehe ich wieder zur Ablösung nach vorn. Wir haben immernoch Alarmbereitschaft, die jedoch am 25. aufgehoben wird. Sonst bringt die Woche wenig Neues - der Russe schießt gerne auf die Düne. Am 28. abends schießen wir endlich auch mal: Feuerüberfall - mit jedem Werfer 2 Schuß. Von unserer Kompanie brachten uns 2 Leute Post und Wäsche. Für mich ist ein großes Paket von zuhause dabei - der Speck und die Wurst kommen mir sehr gelegen. Nur das Brot will nicht reichen und Kartoffeln gibts auch nicht. Hier nun esse ich jeden Tag Blaubeeren, die mit etwas Zucker wirklich nicht zu verachten sind.
Am 30. Juli gehe ich wieder ins Lager zurück. Nächsten Tag Mittagessen beim Kompanieführer: Schleie mit Butter. Vielleicht nicht dumm - ausgezeichnet hats geschmeckt. Mittwoch Abend bekomme ich Nachricht, daß ich von Donnerstag ab zum Artillerie-Meßtrupp 96 nach Porjetzkolje kommandiert bin, um diese Sache auch kennen zu lernen.
Ich reite also am 2. August früh 8ºº ins Dorf und melde mich im Offiziersheim Porjetzkolje - gut werde ich einquartiert. Es sind noch 2 Minenwerferoffiziere da, einer von der 5. P.D. [unleserlich], und der andere von Kompanie 95. Beim Meßtrupp werden wir sehr gut aufgenommen, lernen sehr viel Neues, außerordentlich Interessantes. Das Essen ist ausgezeichnet. Leider vergehen die paar Tage zu schnell, denn schon am 4. ist unser Kursus nach einem Besuch mit dem Auto bei einer Meßstelle in Rudka beendet. Abends essen wir noch mal zusammen, dann reite ich ins Lager.
Sonntag, 5. August wird in aller Ruhe genossen, am Nachmittag kommt Besuch, den ich leider nur mit einigen Flaschen Wein bewirten kann. Montag früh löse ich in Stellung wieder ab. Es heißt, wir sollten wieder wegkommen, uns vorher aber noch an einem Unternehmen beteiligen. Zur näheren Besprechung wegen des Einsatzes der Werfer werde ich nach Schleuse 3 befohlen, wo ich den Führer [unleserlich] Minenwerferkompanie treffe. Ein vorspringender Stützpunkt der Russen soll überrumpelt und Gefangene gemacht werden. 2 Schuß jedes Werfers sollen genügen, um Gassen in das sehr gute und breite Hindernis zu legen. Die Stände werden festgelegt, und am nächsten Morgen mit dem Bau begonnen. Alles ist ferig - das Unternehmen fällt aus. Leider - Gottseidank. Die nächsten Tage vergehen, aber der Marschbefehl kommt nicht.
Endlich kommt am 11. August früh der Bescheid, daß die Werfer am nächsten Morgen zurückzubringen sind. Am Abend soll noch ein Feuerüberfall gemacht werden, ein schwerer Werfer wird vorn in der Infanteriestellung eingebaut, der Überfall, jeder 2. Schuß unterstützt mit Artillerie, macht uns allen Spaß, denn es krachte ganz fein in der Nacht. Panje wird wohl gedacht haben, wir machen einen Angriff.
Am 12. August frühzeitig rücken wir mit all unseren Sachen von vorn ab und können uns noch bis zum anderen Nachmittag in Zehlendorf ausruhen. Dann gehts wieder bis Porjetzkoje, von hier mit der Kleinbahn bis Iwanovowo und nach Umladung geht die Fahrt 11³º nachts los über Brest-Litowsk (Verpflegung), Kaschedary (15/8. Verpfl.), Radziwilizki (Verpfl.), Mitan (Verpfl.) nach Skasbe, wo wir am 16. August 6 vormittags ankommen. Die Fahrt war teilweise recht interessant. Stundenlang gings durch Wälder, und dann wieder nichts als Weideland. Wieviele Menschen könnten sich hier noch ansiedeln! Besonders Grodno hat mir sehr gut gefallen; es liegt genau wie Wilna an einem sehr schönen Flußtal, von schönen Kirchen überragt. - Bei der Bahnhofskommandantur in Skarbe soll ein Befehl für mich sein - nichts da. Ich wende mich an unseren Pionierkommandeur, und dieser weist mich an den Minenwerferoffizier [unleserlich] z. b. V. Oberst Ost. Von dort erhalte ich Bescheid, vorläufig in Skarbe zu bleiben, und auf näheren Befehl zu warten. So bleiben wir mit unseren Fahrzeugen in der Nähe des Bahnhofs und sehen uns den Betrieb der ankommenden Transporte an.
Wir können uns ja ungefähr denken, was lost ist - umsonst zieht man nicht soviel schwere Artillerie und Minenwerfer zusammen. Nachmittags gehen wir zur 1. Res. Pi. 10 zum Kaffee. Mein Zug bezieht am Abend im Kintopp Quartier. Das Klavier ertönt bald - einer meiner Leute packt seine Geige aus, und dann wird bis zum Schlafengehen gesungen. Ich will eben einschlafen, da kommt ein Funkspruch, am nächsten Morgen nach Lager Sille-Süd zu marschieren und dort Biwak zu beziehen.
Am 17. früh rücken wir auf schlechten Sandwegen nach Sille. Ein geeigneter Biwakplatz ist bald gefunden, und die Zelte werden aufgebaut. Unter den vielen hier liegenden Minenwerferkompanien treffe ich einen Zug der M.W. Kp. 281, dessen Führer, Leutnant Mistol uns zum Essen einladet. In den folgenden Tagen essen wir immer zusammen. - Wir fangen nun sofort an, uns häuslich einzurichten, für die Mannschaften eine Baracke, für uns ein kleines Häuschen zu bauen.
Am Nachmittag des 18. gehe ich mit Nedden nach vorn. Die Stellung zieht sich direkt an der Duna entlang und ist sehr gut ausgebaut. Der breite Fluß mit der Insel Borkowitz bietet ein prachtvolles Bild. Man erkennt am andern Ufer deutlich die russische Stellung. Von einem Artilleriehochstand hinter der Linie kann man weit ins feindliche Gebiet sehen. Links am Horizont tauchen die Türme von Riga auf. Das viele Pioniermaterial, die Anhäufung von Artillerie und Minenwerfern ließ uns nun nicht mehr im Unklaren, daß Riga genommen werden sollte. 9 Divisionen sollen den Übergang erzwingen, nachdem Artillerie und Minenwerfer den Weg gesäubert haben. - Unsere Kompanie, die wir täglich erwarteten, hatte ihre Werfer an der östlichen Brückenstelle, also auf dem rechten Angriffsflügel einzubauen.
Unser Häuschen ist jetzt fertiggestelt - leider haben wir nicht viel davon, da es in Stellung mit dem Aussuchen und Festlegen der Werferstände zu viel Arbeit gibt. In den Nächten 26./27. und 27./28. bringen wir Munition bis an einen noch einigermaßen gesicherten Ort.
Am 28. morgens finde ich bei meiner Rückkehr von vorn unsere Kompanie vor. Ehe etwas Neues gebaut ist, schlafen die anderen Offiziere alle in unserem Häuschen. Ich gehe mit Leutnant Tritz nach vorn - die Gruppen werden eingeteilt. In der Nacht 29./30. wird die Munition bis an die Plätze gebracht, wo die Werfer hinkommen, und gegen Fliegersicht gut gedeckt. Panje schießt mit Artillerie und Gewehren in der Gegend herum. Bei Hellwerden sind wir erst fertig - nun am Tag den Schlaf nachgeholt.
Am 31. August 9ºº abends rückt die Kompanie lautlos nach vorn. Der Mond leuchtet uns zur Arbeit, mit der wir sofort anfangen. Ich habe eine Gruppe von 6 schweren Werfern, die alle in und vor der 1. Stellung einzubauen sind. Die Leute gehen ordenlich ran; gegen 3ºº nachmittags ist alles fertig. - Nun versuche ich noch etwas zu schlafen, es ist aber in dem vollgepfropften Unterstand nicht möglich. Um 5ºº fängt die Artillerie an zu trommeln - es pfiff ganz anständig über unsere Köpfe hinweg! Leider ist wegen des dicken Nebels keine Beobachtung. 6 Uhr 30 vormittags fangen die Minenwerfer an. Ein furchtbares Spektakel, denn immer in etwa 25 m Entfernung steht ein mittlerer oder schwerer Werfer, die leichten noch viel dichter dahinter, und feuert was aus dem Rohr geht. Bald zerreißt die Sonne den dichten Nebelschleier, und wir sehen uns das schaurig schöne Schauspiel an. Unbekümmert der Minensplitter, die wieder bis zu uns zurückfliegen, und des Feuers, stehen wir vor den Gräben und leiten unser Feuer. Die russische erste Stellung ist in Qualm und Schutt. Allmählich gibt Panje das Schießen auf, nur hin und wieder kommt noch mal eine Granate in die Gegend - wir sind in dieser Beziehung auf dem Flügel am schlechtesten dran.
9 Uhr 10 sollte der Übergang erst beginnen, aber schon um 9ºº stoßen die ersten Pontons, die vorher schon versteckt hinter der Stellung gelegen haben, vom Land ab. Bald sind die ersten drüben, und lustig geht es weiter ins Land hinein. Kaum ¼ Stunde später sind 400 Gefangene in unseren Händen. Verluste sind fast keine. Eine Schützenlinie folgt der anderen. Die Flammenwerfer (Randbemerkung: Flieger!) zeigen der weiterfeuernden Artillerie an: Hier sind wir! Die bereitgestellten Brückentrains bringen im Galopp neue Pontons heran und der Brückenschlag beginnt. Russische Artillerie versucht es zu verhindern, aber durch eine künstliche Nebelwand wird der Einblick unterbunden und sie tastet nur so im Gelände herum. - Nur ungern trennen wir uns von dem schönen Bild. Die Werfer werden ausgebaut und an die Straße zurückgebracht. Mit den Leuten gehe ich noch weiter zurück zu der inzwischen vorgerückten Bagage. - Vorn ist inzwischen die Brücke fertig geworden und Kavallerie und Kolonnen ziehen hinüber, unserer Infanterie nach. Wir sollen auch bald ans andere Ufer, doch der Übergang geht nur langsam vonstatten, und so müssen wir eben warten. Endlich gelingt es uns, abends auf die Hauptstraße zu kommen; hier gehts auch nur schrittweise vorwärts - jeden Augenblick wird gehalten, und so kommen wir erst 2 nachts an die Brücke. Gerade als wir hinaufrücken, wirft ein russischer Flieger etwa 100 m von uns entfernt mehrere Bomben ab, die keinem etwas tun. Beim Überschreiten der Brücke zähle ich diesseits 8 Böcke, dann folgen 64 Pontons und jenseits 6 Böcke; es ergibt sich also eine ganz stattliche Länge. Am feindlichen Ufer, das sehr steil ist, haben Pioniere und [unleserlich] Soldaten bereits eine Rampe gebaut, damit die Fahrzeuge hinauf könen.
Die Kompanie marschiert nun weiter bei der [unleserlich] Übeküller Kreisverwaltung vorbei. Alles ist müde, denn in der letzten Zeit gabs wenig Nachtruhe. Endlich machen wir am Bahndamm Riga - Oger - Galle kurz vor dem Kahlen Berge halt und wir legen uns, wie wir sind, nur in die Decke eingehüllt, schlafen. Gegen Mittag macht mich die Sonne erst munter. Nach dem Essen werden Zelte gebaut - wir bleiben vorläufig. Am Nachmittag klettere ich auf den Kahlen Berg, wo unsere Infanterie die Nacht über gelegen hat. Der Russe hatte sich dort festgesetzt, sich aber bei Tagesanbruch weiter zurückgezogen. - Es fängt an zu regnen - im Zelt ein zweifelhaftes Vergnügen. Meine Ecke ist die einzige, die noch einigermaßen trocken ist.
Unsere Division hat sich weiter nach Osten gezogen, und verfolgt den Feind an der Düna und der Oger entlang. Wir folgen am 5. September nach und schlagen in der Nähe von [unleserlich] Bluven unser neues Lager auf. Eine Holzbrücke ist schnell zusammengeschlagen, das Material nehmen wir aus der rückwärtigen russischen Stellung.
Am Abend machen wir uns ein riesiges Lagerfeuer. Die Leute singen und machen allerhand Unsinn. Nachts ist in unserer Bude ganz empfindlich kalt und wir sind froh, daß am Morgen die Sonne ordentlich lacht. Am Nachmittag streifen wir in den alten russischen Stellungen herum und können nicht begreifen, warum diese nicht gehalten worden sind. Die Düna-Stellung sieht ja allerding sehr wüst aus - Minenwerfer-Arbeit!
Die Kompanie bekommt etwas Beschäftigung. Die an der Düna entlang führende Straße Oger - Üseküll, die ziemlich stark zerschossen ist, ist auszubessern, von hier kann man den interessanten Brückenbetrieb tadellos übersehen.
Am 7. nachmittags reite ich mit Leutnant Wahl in das von uns neubesetzte Gelände. Die Infanterie hat gleich kurz hinter Oger-Galle eine neue Stellung besetzt und von dort aus nur Sicherungsabteilung nach vorne geschickt. Wir reiten weit über unsere Stellung hinaus und freuen uns über die bestellten Felder, von denen wir uns allerhand holen können. Richtig satt waren wir schon lange nicht mehr. An einem Gehöft kriegen wir Feuer und ziehen deshalb vor umzudrehen. Am nächsten Morgen ziehe ich mit Jost Nedden und 2 Wagen los, und bringe sie mit Kartoffeln und Gemüse schwer beladen ins Lager. Ein Schwein findet sich auch noch dazu, und so haben wir am Abend einen feinen [unleserlich] Schlemm. Landschaftlich ist die Gegend um Oger-Galle sehr reizvoll, besonders das Oger-Tal. Von der Stadt selbst ist nur wenig übrig geblieben.
Am 9. September heißt es, wir können wieder weg, und das Gerücht bestätigt sich auch: Die Kompanie soll vorläufig im Lager Sille Quartier beziehen. Nachmittags reite ich voraus, um mich dort nach Platz umzusehen, finde unser altes Lager leider besetzt, aber anderswo genug, die Kompanie unterzubringen. Auf dem Rückwege reite ich bei unserem Doktor vorbei, der inzwischen zum Feldlazarett 48 abkommandiert worden ist. Nach einer Tasse Kaffee geht es weiter.
Den nächsten Mittag rückt die Kompanie ab. An der Brücke ist ein mächtiger Betrieb - wir kommen aber bald hinüber. In Sille angekommen, machen wir es uns im Häuschen des Zuges Minenwerferkompanie 281 bequem.
Am 11. September nachmittags reiten wir alle zusammen nach Skasbe. Hier ist lange nicht mehr so viel los wie damals, als wir ankamen. Abends machen wir am Lagerfeuer einen gemütlichen Bierabend.
In der Frühe des 13. rücken wir über Skasbe nach Gedeng. Nach Verladung fahren wir um 1ºº nachmittags ab. In Mitan 1. Verpflegung. Dann geht es weiter über Radziwiliski (Verpfl.), Roschedary (Verpfl.), Rowno, Wissballen (Verpfl.) nach Eydkuhnen. Wieder einmal auf deutschem Boden! In der großen Entlausangsanstalt muß alles entlaust werden. Auf der Seite für unreine Leute gehen wir hinein, ziehen uns aus und geben alle Sachen ab. Dann wird geduscht, in einen Lazarett-Anzug gekrochen und ins Kasino gegangen. Ehe die Sachen fertig entlaust sind vergehen 4 Stunden. Um die Zeit zu vertreiben, spielen wir einen Doppelkopf, andere verzapfen [unleserlich] und zerbrechen sich den Kopf, wohin wir nun wohl kommen werden. Auf alles Mögliche wird getippt - am wahrscheinlichsten scheint uns Verdun. Ich bin garnicht recht bei der Sache, ich kann kaum sitzen, da ich ein ganz gemeines Furunkel dort habe, wo man sonst zu sitzen pflegt. Endlich kiegen wir unser Zeug wieder, und nach einem schlechten Glas Bier im Wartesaal fahren wir wieder ab, über Königsberg (Verpflg.) nach Elbing (Verpflg.), die Strecke zieht sich ein langes Stück am Haff entlang. Da ziemlich stürmisches Regenwetter ist, genießen wir das feine Bild, das sich uns bietet: die dunkle Wasserfläche mit den weißen Schaumkronen. Von Elbing fahren wir über Marienburg weiter; es geht direkt beim alten Ordensschloß vorbei, das über die Nogat hinweg einen großartigen Eindruck macht. Vor mir tauchen die alten Hochmeistergeschichten, die ich als Junge immer so gern gelesen habe, auf. Deutsche Hochburgen!
Am 16. früh gibts in Konitz tadellose kalte Verpflegung, und dann mittags in Posen Kalbsbraten. Bei Krossen fahren wir über die Oder - ganz nahe zuhause und ich kann doch nicht hin. In Guben gibts eine nicht allzu gute Graupensuppe. Weiter geht die Reise über Cottbus, Leipzig nach Jesewitz, wo wir am 17. wieder etwas zu essen kriegen. Jetzt fahren wir nach Thüringen hinein über Erfurt, Neudielendorf (Verpflg.), Eisenach im Saaletal entlang, Bebra, nach Hanau (Verpflg.)
Am 18. früh wache ich in Münster am Stein auf - also, auf altbekannter Strecke nach Frankreich. In Lautereiken und Busendorf (Eisbein) essen wir ausgezeichnet. Ordentlich hineingekniet haben wir uns da - das nette Mariele hat uns auch zu gut bedient. Hinter Fentsch über die Grenze, durch Longujou nach Earigeau (Verpflg.) Bei der Weiterfahrt schaut alles gespannt zum Fenster hinaus, ob es wohl nach links auf Stenay zugehen wird. Gottlob nicht. Am 19. früh sind wir über Hissen in Vervins angekommen und laden aus. Nach kurzem Marsch über Voulpaix, La vallée aux bleds kommen wir in Fessreval an und beziehen Quartier. Ich wohne mit Stendebach zusammen. Mein Bett ist ausgezeichnet. Die Gegend ist sehr obstreich und wir halten uns alle tüchtig dazu.
An den nächsten Tagen machen wir kleine Spaziergänge, und am 28. heißts wieder abrücken. Abends gehts los, und wir kommen am 23. über Mons-Bergen (Verpflg.) Andenarde in Deinze (Flandern) an. Von hier marschieren wir noch nach Nazareth, einem größeren Orte, der aber schon stark belegt ist. Von vorne ist ein wahnsinniges Trommelfeuer zu hören - na, da komen wir ja wieder mal ordentlich rein. - In einem feinen, noch bewohnten Schlosse werden wir einquartiert. Den ganzen Krieg würde ichs hier aushalten! Ich habe ein tadelloses, großes Zimmer und lege mich mit der Absicht ins Bett, erst nächsten Mittag aufzustehen. Doch mit den Geschickes Mächten usw. (Randbemerkung: … ist kein ewiger Bund zu flechten.) Um ½ 9 werde ich rausgeholt; die Kompanie soll 9³º abrücken. Da wir etwa ½ Stunde von der Kompanie entfernt liegen, kriegen wir sie nicht mehr - packen müssen wir auch noch, und dann gehts im Eiltempo los. Dann um 12ºº mittags müssen wir in dem etwa 15 km entfernten Alsene sein. Wir kommen noch ganz gut hin - zu essen haben wir nichts, und nun müssen wir noch bis 4ºº auf unseren Zug warten. Über Kastryla fahren wir nach Wevelghem und marschieren nach Lauwe. Um 7ºº sind wir im Quartier - ich habe einen furchtbaren Hunger, und die Küche ist vor 10ºº abends nicht zu erwarten. Unser Quartierwirt kocht uns schnell Kartoffen, die nur mit Salz ausgezeichnet schmecken. Das Feuer an der Front ist ganz blödsinnig heftig. Unsere Division ist Eingreifdivision, und wir sind deshalb alarmbereit. Auch den ganzen 25. über.
Am nächsten Morgen soll ich nach vorn, um Anmarschwege zu erkunden, die möglichst wenig unter Feuer liegen. Doch die Nummer fällt aus, denn am 26. September vormittags soll die ganze Kompanie marschbereit sein. Erst um 8ºº rücken wir ab über Haluin - Menin, wo wir bereits von den ersten Granaten begrüßt werden, nach Ghelure. Etwas südlich des Ortes erwarten wir, am Straßenrande sitzend, weitere Befehle. Vor uns krachts und donnerts, daß es bald nicht mehr schön ist. Der Engländer hat angegriffen, wird aber im Gegenstoß wieder geworfen. Gegen Abend beziehen wir das inzwischen frei gewordene Divisionsstabsquartier in der Nähe und legen uns schlafen. Dann kommt Befehl, 2 Uhr 30 vormittags nach Klephoek abzurücken. Wir ziehen los, es ist stockfinster, und es fängt an zu regnen. In Klephoek gegen 4ºº vormittags angekommen, kein Quartier. So machen wir es uns in der Kirche auf zusammengerückten Stühlen bequem.
Gegen 8ºº wache ich auf - die halbe Kirche voller Zivilisten, und so muß ich meinen Platz auch räumen. Den Tag über halten wir uns in einem Hauskorridor auf. Befehle, unseren Einsatz betrefend, sind nicht da, und so müssen wir eben abwarten. Nach Dunkelwerden kommen mehrere englische Flieger, die in Ledegtem, unserem großen Nachbardorfe, Bomben abwerfen. Die Nacht zum 28. schlafe ich wieder in der Kirche, diesmal im Turm.
Am 28. September kommt Befehl, die Minenwerferkompanie 250 abzulösen, und nun kriegen wir endlich auch Quartier - sogar mit Betten. Am andern Morgen 4ºº gehe ich mit Leutnant Fritz und Leutnant Wahl zusammen nach vorn, um für ein gegen den Polygon-Wald geplantes Unternehmen geeignete Werferstände zu erkunden. Wir gehen über Dadizeele - Zuid - Oesthovek - Molenhoek bis zum B. P. R 73 nördlich Rentel, und besehen uns von dort das Gelände. Vor und im Tal ein kleiner Bach - dahinter auf den Höhen der Tommy. - Es ziemlich hell geworden, wir bekommen M. G. Feuer, und so heißts eben immer von einem Granatloch ins andere springen. Auf dem Rückwege können wir uns alles gemütlich ansehen, denn es fällt fast kein Artillerie-Schuß. Das Gelände ist aber bis sehr weit nach hinten tüchtig zerschossen. Die ganz vorn liegenden Orte Reutel, Berelaere und Molenhoek sind nur noch Trümmerhaufen. Die Straße durch Molenhoek ist wegen der riesigen Granattrichter kaum fahrbar. - Hinter dem Orte treffen wir ein Lastauto, das uns bis nach Moorseele mitnimmt, wo wegen des Unternehmens eine Besprechung stattfindet. Alle beteiligten Stellen sind anwesend, und nun wird der ganze Angriffsplan klargelegt. 2 Inf. [unleserlich] sollen stürmen, nachdem Artillerie und Minenwerfer die feindliche Stellung sturmreif gemacht haben.
In Ploephoek angekommen, lege ich mich gleich schlafen, denn am Abend soll ich wieder nach vorn, um 4 bereits dorthin gebrachte mittlere Werfer einzubauen. Um 9ºº fahre ich mit Leutnant Wahl los bis Molenhoek. Dann zu Fuß weiter. Der Engländer schießt ziemlich viel in der Gegend herum, besonders auf die Straße Bezelaire - Prentel. Wir gehen bis ganz vorn zum R. T. R., besichtigen unsere Stellung auf der Karte, und gehen daran, Werferstände festzulegen. Bei dem außerordentlich hellen Mondschein scheint uns der böse Feind zu sehen - wir bekommen ganz ordentliches Artilleriefeuer. Leutnant Wahl wird direkt neben mir am rechten Oberarm schwer verwundet und muß nach hinten.
Unsere Leute sind nun inzwischen auch hergekommen, und wie wir an den Einbau gehen wollen, stellen wir fest, daß bereits 3 Werfer zerschossen sind. Für den 4. ist schnell ein Platz gefunden, aber der Einbau geht doch nicht so rasch. Solange wir in den Löchern liegen, ists ruhig, aber sobald wir irgend etwas machen, gibts blödsinniges Feuer. Ein Flieger ist über uns - ob der wohl etwas sieht? Allmählich wirds mir aber zu dumm - mal fest angefaßt und hintereinander gearbeitet, und so sind wir sehr bald fertig. Ohne Verluste gehts nachhause zurück.
Am 30. September abends bringe ich als Ersatz für die zerschossenen 3 neue Werfer nach vorn. Es geht alles glatt - einen Feuerüberfall hinter Berelaise warten wir in Granatlöchern ab. Dann suche ich Stände, die Werfer werden eingebaut und mit Munition versehen. Tommy ist verhältnismäßig ruhig. Ob er wohl ahnt, daß um 6ºº angegriffen wird? In langen Schützenlinien geht die Sturm-Infanterie in Stellung. - Meinen Gefechtsstand habe ich etwas hinter den Werfern in einem angefangenen Betonstande, der allerdings von den Seiten offen ist, aber wegen seiner höchstens 10 m starken Decke doch wenigstens splittersicher zu sein schein. Um 5³º Uhr vormittags fängt unsere Artillerie zu schießen an. Donnerwetter, das ist aber ein Geheule und Gekrache direkt vor uns. Bald verschwindet alles in Rauch und Dreck. 5⁵º Uhr fangen auch die Minenwerfer an, aber der Engländer läßt sich das natürlich nicht so ruhig gefallen, sondern legt ein Sperrfeuer auf die Gegend, daß es bald nicht mehr schön ist. Ich erwarte jeden Augebnlick einen Volltreffer auf unseren Bunker, aber der bleibt Gottseidank aus. Mehrere ganz dicke kommen sehr nahe heran, sodaß wir manchen Brocken in den Stand kriegen. Um 6ºº setzt der Infanterie-Angriff ein - es geht ein ganzes Stück vor, doch wird das befohlene Ziel nicht erreicht. Tommy ist sehr zähe. Gegen 6⁴º Uhr läßt das feindliche Feuer etwas nach. Ich gehe vor zu den Werfern und schicke die Leute nachhause. Leider können nicht alle mit, 2 sind tot und 3 verwundet. 1 Werfer zerschossen, 1 verschüttet. Inzwischen ists [unleserlich] klar geworden, ich bekomme Maschinengewehrfeuer, und da mein Auftrag erfüllt ist, gehe ich auch ins Quartier zurück. Unsere Infanterie hat anscheinend sehr starke Verluste gehabt. - Wie mir am Abend der Kompanieführer sagt, bin ich jetzt bereits zum 3. Mal zum E. K. I eingereicht, und hoffe es nun auch zu kriegen.
Am 2. und 3. Oktober bin ich hinten - abends die gewöhnliche Bombenschmeißerei in der Umgegend. Die Kompanie beteiligt sich an einem Unternehmen an der Straße Menin-Ypern, das uns auch einige Leute kostete (6 Mann durch eine Granate).
In der Nacht vom 3./4. Oktober wird das Feuer vorn außerordentlich heftig und schwillt am Morgen zum stärksten Trommelfeuer an. Der Engländer greift an, kommt auch etwas vor, wird aber durch unsere den ganzen Tag währenden Gegenstöße wieder zurückgeworfen. Ein Regiment und eine Batterie nach der andern geht nach vorn. Es heißt, wir sollen abgelöst werden, denn von unserer Infanterie ist nicht mehr viel übrig. Die Division, die für uns einrücken soll, ist bereits vorn und auch schon durchgedreht, und so warten wir, bis die nächste herankommt.
Am 6. Oktober kommt Ablösung und wir rücken 12ºº mittags ab - froh, wieder mal gut aus dem Schlamassel herausgekommen zu sein. Wir marschieren über Ledeghem Moorseele - Rastryk - Swebeghem nach Tieghem. Hier spät angekommen, quartieren wir uns im Schloß ein. Ich bewohne wieder mit Stendebach ein feines Zimmer. Leider ists ohne Ofen und draus ists schon verdammt kalt.
Am nächsten Morgen, Sonntag, gehen wir Offiziere alle in eine Kneipe und spielen Doppelkopp. Nach dem Essen wird mal ein richtiger Sonntagnachmittag gemacht - erst ein kleiner Bummel, dann wieder in die Estaminet. Wir kriegen einen tadellosen Rotwein, und nicht mal teuer: Es wurde recht gemütlich! Am Abend hören wir, daß es am nächsten Morgen schon wieder weiter gehen soll.
Wir machen erst noch einen ordentlichen Frühschoppen, und um 3ºº nachmittags marschieren wir nach Anseghem, wo wir verladen. 6³º gehts los über Mions-Bergen nach Aresnes. Hier früh 6ºº warme Verpflegung, und dann fahren wir über Charleville weiter nach Sedan. Nach der Entladung essen wir in der Verpflegungs-Anstalt. Suppe und Rindsbraten mit Reis, 50 Pfg. - Dann reite ich mit Stendebach Donchary nach Bulson, wo wir im schönsten Regen für die Kompanie Quartier machen. Wir sind gerade fertig, da kommt sie schon an. Ich habe ein feines Zimmer mit einem wunderbaren Bett.
Am 10. Oktober vormittags fahre ich mit Leutnant Fritz über Haranvoust nach Angervoust zur Armee-Minenwerfer-Schule 3. Der Führer, Hauptmann Spieß, erzählt uns nun, daß die Kompanie am Sonntag, 14. Oktober schießen müsse, und daß alle möglichen hohen Herrschaften kämen, um sich die Sache anzusehen. Wir besehen uns noch den Schießplatz und kommen erst spät zurück.
Am 11. Oktober machen wir in dieser Angelegenheit noch nichts - besprechen nur die Sache unter uns. Am 12. Oktober frühzeitig rückt die halbe Kompanie zum Schießplatz, um die Werfer einzubauen. Ich habe 2 schwere Werfer, deren Einbau in diesem Kalksteinboden nicht sehr leicht ist. Der furchtbare Sturm und Regen erfreut uns auch nicht gerade, und wir sind reichlich durchnäßt, wie wir nachmittags ins Quartier kommen.
Am nächsten Vormittag habe ich als Beisitzender bei einem Feldstandgericht in Chebenges zu tun. Es dauert ziemlich lange, und da ich nachmittags meine Werfer einschießen muß, reite ich gleich durch Bolson durch zum Schießplatz. Hier sind wir bald fertig, und es geht in unser Dorf zurück. Morgen früh 7³⁰ soll nach Angevoust abgerückt werden. Nachts kommt aber ein Befehl: Ich soll mit einem Vorkommando in eine Stellung. Mit einigen Leuten fahre ich von Sedan bis Dun. Hier kommen wir gegen 1³⁰ nachmittags an. Wagen, die uns abholen sollen, reichen nicht, und so warten wir, bis neue kommen. Ich gehe inzwischen ins Offiziersheim essen. Um 5ºº kommen auch die Wagen, und im Regen gehts nun über Aineville nach Romagne sans Montfauron. Hier werde ich schon von Leuten der Minenwerferkompanie 254 erwartet, die mich in ½stündigem Marsche in ihr Lager bringen. Mit dem Kompanieführer bespreche ich einige Sachen und gehe dann in meine Bude. Ermüdet von dem vielen Rumstehen gehe ich bald schlafen.
Am nächsten Morgen sehe ich mir das Lager an - es ist nicht gerade hinreißend, denn durch das anhaltende Regnen ist der Boden derart aufgeweicht, daß man bis zum (Randbemerkung: Lager Hannover) Knöchel einsinkt. Mittag esse ich mit den Herren der Minenwerferkompanie 254 zusammen recht gut, der Nachmittag vergeht in angeregter Unterhaltung.
Am 16. Oktober früh fahre ich in Stellung, um mir diese anzusehen. Aber es sieht sehr böse aus da vorn. Verdun! Wir sinds ja gewöhnt. In den heftigen Kämpfen um Höhe 304 ist das Gelände völlig zerschossen worden. Neu gebaute Gräben sind infolge des Regens zusammen gefallen. Da es neblig ist, gehen wir über Deckung, aber viel sauberer ists da auch nicht. Nach stundenlangem Hin- und Herlaufen in diesem Dreck fahren wir mittags wieder nachhause. Nachmittags schlafe ich. Beim Mittagessen am 17. kommt Leutnant Nedden von unserer Kompanie mit einigen Leuten; rückt aber bald nach vorn und löst ab. Er teilt mir mit, daß ich mich bald bei unserem Bataillonskommandanten Major Stiebler melden solle. Nachmittags fahre ich dann ins Divisions-Lager, und er überreicht mir mit einigen passenden Worten das E. K. I. Ich freue mich natürlioch mächtig darüber, und daraufhin wird der Abend auch recht gemütlich. Den näcsten Tag kommt der Rest der Kompanie, und mit Unterbringung und Anweisung vergeht der ganze Tag. Die andere Kompanie ist inzwischen abgerückt. Leutnant Fritz ist auf Urlaub gefahren; Weißenbach vertritt ihn.
Für Freitag nehme ich mir Urlaub nach Sedan. Mit der Kleinbahn von Romangne nach Dun. Der Zug nach Sedan ist leider schon weg, ich erwische aber noch eine Lokomotive, die mich bis Bazeilles mitnimmt. Von hier habe ich nur ½ Stunde sehr angenehmen Weg bis Sedan, wo ich erst mal in der Traube tadellos esse. Nachher besorge ich mir einige Sachen! Trinke in der Weinprobierstube noch einige Schoppen tadellosen Wein und gondle um ½7 wieder nachhause.
Am 21. Oktober, Sonntag, gehe ich mit Leutnant Weißenbach in Stellung. Es ist sehr hell. Während wir vorn herumlaufen - teilweise über Deckung - ist dauernd ein französischer Flieger über uns, der uns an freier Bewegung hindert. Beim Zurückgehen kriegen wir am Badener Platz M. G. Feuer, das uns die Beine etwas in die Hand nehmen ließ. Von Montfouron aus fahren wir mit dem Wagen ins Lager zurück. Vorläufig bleibe ich hinten, es regnet.
Am 25. machen wir mit Geige und Zither, ein Klavier ist leider nicht da, einen recht gemütlichen Kasino-Abend. Der Lager-Kommandant, ein biederer alter Feldwebel-Leutnant, ißt bei uns mit und vertreibt uns mit seinen lustigen Erzählungen die Zeit.
Am 26. erfahren wir von unserer Offensive in Italien.
Am 28. Oktober bekomme ich Befehl, den Förderbahnbetrieb des Divisions-Abschnittes zu übernehmen. Ich lege ja gerade keinen Wer auf solch ausgefallene Sachen, aber Befehl ist Befehl. Am Morgen des 29. fahre ich nach vorn, um mir von Nedden, der die Sache bis jetzt unter sich hatte, die Arbeiten übergeben zu lassen. Das geht ziemlich rasch, und ich fahre wieder nach hinten. Zu Mittag gibts Sauerbraten, nachmittags Kuchen und abends ein gutes Glas Bier.
Am 30. früh gehts wieder in Stellung. Ich wohne beim Pi. [unleserlich] Sack Breitgeräumt in einem schlechten Stollen, den ich mir erst etwas einrichte. Nebenan wohnt ein Pionier-Offizier. Nachmittags gehe ich die Gleise des rechten Divisionsabschnittes ab. Das Laufen strengt ziemlich an, weil ich immer von einer Schwelle zur anderen treten muß.
Am 1. November habe ich in [unleserlich] Montfouron beim R. J. R. 73 eine Besprechung. Es ist prachtvolles Wetter, und so kann man von dort oben das Gelände weit überschauen. Das Dorf selbst ist ja vollkommen zerstört und sieht trostlos aus. Nachmittags fahre ich mit dem Bähnchen nach Romagne. Von dort mit dem Wagen weiter zum Bataillon. Wie ich ins Lager zurückkomme, ists schon finster.
Am nächsten Morgen gehts wieder zeitig raus. Mit der Bahn von Romagne bis [unleserlich] Pi. Sorck Bautheville, und von dort zu Fuß nach Irviry, einem kleinen Dörfchen in einer Talmulde, ebenfalls zerschossen. Im dicken Nebel finde ich mich kaum zurecht. Der Gefechtsstand, den ich suche, ist nicht mehr dort, und so wandere ich weiter auf den Schienen entlang über Montfouron-Enisy und durch den Enisy-Wald zu meinem Bunker. Ein anstrengender Marsch, aber ich kenne jetzt wenigstens fast mein ganzes Gleis.
Am 3. November besuche ich Leutnant Nedden vorn in userem Minenwerfer-Gefechtsstand. Am Sonntag bin ich wieder bei ihm und fahre dann ins Lager zurück. Montag früh fahre ich mit dem Wagen bis hinter Montfouron und gehe dann über die Ratlosvitz-Höhe in meine Befehlsstelle. Von dem Pionier-Offizier höre ich, daß unser Divisions-Kommandeur Exzelllenz von Wartenberg schwer verwundet sein soll. Er war morgens vorn gewesen, wollte sich das Vorfeld ansehen, und wurde dort von einer Gewehrkugel in den Unterleib getroffen.
Am 6. fahre ich wieder ins Lager zurück. Es regnet. Exzellenz ist an seiner Verwundung gestorben. Mittwoch soll in Dun eine Gedächtnisfeier stattfinden. Wir gehen alle hin. Der Leichnam ist in der Kirche auf der Höhe bei Dun aufgebahrt. Die Feier verläuft recht eindrucksvoll - Exzellenz von Wartenberg erfreute sich auch der allgemeinen Beliebtheit. Ich kannte ihn ja schon seit 1914. Von hoch oben genießen wir den wunderbaren Blick über das Maastal und die Stadt zu unseren Füßen. Wir essen dann unten im Offiziersheim und kehren bald ins Lager zurück. Bis zum 11. November bleibe ich im Lager; es regnet immerzu, und das ist wenig angenehm - am allerwenigsten im Lehm vor Verdun. Ich lese und schreibe.
Am 10. bin ich mit Weißenbach in Ennel bei einem Vortrage über die wirtschaftliche Lage in Deutschland während des Krieges. Nach dem Vortrag werden uns noch einige Bilder aus der Levante vorgefilmt. Montag, 12. fahre ich bei schönem Wetter wieder nach vorn. So ganz allein ists doch langweilig.
Am 13. und 14. habe ich vorn in Malanvourt, von dem fast nichts mehr zu sehen ist, zu tun. Es sind einige Strecken in Ordnung (Randbemerkung 13. Beförderung Koch, Gätjens, Ebhardt.) zu bringen.
Am 15. November gehe ich zu Fuß ins Lager zurück - ein ganz anständiger Marsch. Leutnant Fritz kommt von seinem Hochzeits-Urlaub zurück. Die nächsten Tage bin ich im Lager. Sonntag, 18. reite ich mit unserem Feld-Unterarzt spazieren. Wir haben feines Wetter und streifen quer durch die Wälder. Montag habe ich in Romagne im Betriebs-Amt zu tun, und Dienstag muß ich, da ich meinen Zug verpaßt habe, zu Fuß nach vorn gehen. Bei trübem Wetter gehe ich zu einem Strecken-Neubau.
Mittwoch, 21. gehe ich zu unserer Minenwerfer-Befehlsstelle nach dem Hüttenlager und von dort einem alten Gleise nach auf der Straße Avoncout-Malanvourt bis zum dortigen alten [unleserlich] Pi. Sack. Regen
22. ists wieder schön. Gehe nach Hüttenlager und zu meinem Neubau. Freitag fahre ich im dicken Nebel bis [unleserlich] Eierges mit der Bahn. Der Zug geht nicht weiter; zum Glück erwische ich ein Lastauto, das mich wenigstens bis Romagne bringt. Die nächsten 2 Tage regnets.
Montag, 26. November reite ich mit dem Doktor bei ziemlicher Kälte spazieren. Romagne - Ennel - Bantheville. Das letztere war bei den schweren Kämpfen Munitions-Depot und wurde durch Bomben-Treffer in die Luft gesprengt. Es sieht also ganz wüst dort aus. Von dort geht es dann auf einem Waldwege, in dem die Pferde fast bis an den Leib versinken, ins Lager.
Am 27. gehe ich wieder zu Fuß in Stellung, es ist sehr kalt. Die nächsten Tage bin ich im Enisy-Walde. Durch diese Streckengänge vergeht immer der ganze Vormittag. Da wir Nachmittag nicht arbeiten, kann ich lesen und schreiben, oft bin ich auch nebenan bei dem Pionier-Offizier, mit dem ich auch mal eine Partie Schach spiele.
Freitag, 30. November gehe ich über [unleserlich] Ivony-Cieges ins Lager zurück. Es ist kalt und trübe. Bis 3. bin ich im Lager. Sonntag reite ich mit Nedden und dem Doktor spazieren. Es ist sehr glatt, besonders bergab muß furchtbar aufgepaßt werden.
Dienstag, 4. früh fahre ich wieder mit der Bahn nach vorn. Es ist kalt und es schneit, die Wege sind vereist, besonders der Bahnweg zum Hüttenlager, auf dem ich mich sogar hinsetze. In den nächsten Tagen bin ich meist dort bei unserem Minenwerferstand Bertha, wo ich mit unserem Kompanieoffizier zusammen bin. Freitag gehe ich wieder nach hinten, es ist sehr warm und es taut tüchtig, was das Laufen nicht gerade angenehm macht. Bis zum 10. bin ich im Lager, dann bekomme ich Befehl, den Förderbahn-Betrieb an die Pionier. Offiziere. [unleserlich] abzugeben. So reite ich dann Dienstag früh nach vorn. Der Doktor begleitet mich, es ist aber derartig glatt, daß wir nirgends ein Stück Trab reiten können. Leider kann ich vorn nur ½ Abschnitt übergeben, da ich den andern Offizier nicht antreffe.
So muß ich Mittwoch den 12. Dezember schon wieder nach vorn. Mit der Bahn bis Montfouron und dann das übrige Stück zu Fuß. So, nun bin ich auch die Sache los. Ich will mich gerade auf die Strümpfe machen, da kommt mein Bataillonskommandant und ladet mich ein, im Auto mitzufahren. Das ist mir natürlich sehr recht. Es ist zwar schon voll, er nimmt mich aber auf seinen Schoß und so gehts ausgezeichnet. Bald sind wir in Romagne, und von dort ists nicht mehr weit ins Lager. Jetzt gehöre ich wieder richtig zur Kompanie und kann auch gleich am 14. den Abschnitt vorn übernehmen. Mit dem Wagen fahre ich bis zum Württemberger Platz, dann zu Fuß bis Bertha. Hier ists angenehmer. Wir sind immer 2 Offiziere und 2 Vize-Feldwebel vorn, und da gibts nette Unterhaltung. Nachmittag sehe ich mir einen Teil der Stände, die ich ja doch schon kenne, an und Sonnabend 15. früh gehe ich die ganze Stellung durch. Es ist sehr klar, werden aber, trotzdem wir oft über Deckung gehen, nicht beschossen.
Am 16. hören wir etwas von Ablösung. Na, wir ärgern uns nicht, aus dem dicken Dreck rauszukommen. Am 17. Dezember abends kommt ein Offizier der Minenwerferkompanie 13, um uns abzulösen. Die Stellung ist bald übergeben, und am 18. früh 4ºº gehen wir nach hinten. Wir packen gleich und verladen. Nachmittag marschierend wir los. In Romagne kriegen wir mehrere Viehwagen, in denen wir bis Dun fahren, und sparen uns dadadurch 12 km Marsch. Von hier geht es weiter über Sassey-Saulmorny nach Wiseppe. Ich gehe zu Fuß, da es zum Reiten zu kalt ist. In Wiseppe ist bereits für uns Quartier gemacht. Wir wohnen zu 4 Offizieren in einem Zimmer mit 2 allerdings sehr breiten Betten. In einer Kantine können wir noch einige Flaschen Wein auftreiben, die uns allen recht gut bekommen.
Mittwoch 19. Dezember marschieren wir über Lauenville nach Luzy, in dem wir nun bleiben. Die Unterkunftsmöglichkeit ist sehr schlecht, da das Dorf bei unserem Vormarsch 1914 niedergebrannt wurde. In den wenigen Quartieren sind wenigstens gute Betten.
Am 20. Dezember marschiert die ganze Kompanie zu einer Kaiserparade nach Stenay. Tatütata!! S. M. fährt nur im Auto an uns vorbei. Nach einem Glase Bier im Offiziersheim ziehen wir wieder nachhause. Es ist tüchtig kalt. Nachmittag gehe ich mit Nedden nach Inor, einem kleinen netten Dorf auf der anderen Maasseite. Nach Einkauf in der Feldbuchhandlung kehren wir über Martincourt nach Luzy zurück.
Freitag 21. Dezember gehe ich mit Nedden und dem Doktor auf Suche nach einem Christbaum. Es wird so langsam Zeit, daran zu denken, und am Bahndamm auf Inor zu wachsen sehr viel [unleserlich]. Nach langem Suchen machen wir uns mit einem schönen Baum singend auf den Heimweg. Sonnabend fängt der Dienst wieder an, ich habe am Vormittag 2 Stunden Exerzieren. Bei der Kälte und dem schneidenden Wind auf den verschneiten Maaswiesen ists keine Freude.
Sonntag gehen wir zu mehreren wieder nach Inor. In der Kantine gibts feinen Obstwein, der uns gut bekommt. Wir gehen über [unleserlich] Mantincourt und die gefrorenen Maaswiesen nachhause. Abends sind wir bis nach 1ºº alle recht lustig beisammen.
Montag, 24. Dezember - am Heiligen Abend habe ich Nachmittag Werferdienst, den ich aber recht abkürze. Zum Abend können wir leider eine große Kompaniefeier wie im vorigen Jahre nicht machen, weil es am Platz mangelt. Die Leute bekommen alle einige Kleinigkeiten. Für uns Offiziere hat der Doktor den Baum recht fein gemacht, einen Lichterkranz aufgehängt und das Zimmer mit Reisern ausgeschmückt. - Nach der Burscheneinbescherung kommen wir dran. Jeder bekommt 1 Flasche Wein, Zigarren, Zigaretten und sogar 1 Tafel Schockolade! Außerdem haben wir alle zusammen noch einige Flaschen Wein als Liebesgabe bekommen. Wir singen mit Klampfenbegleitung einige Weihnachtslieder und denken an frühere Feste. Richtige Stimmung will nicht aufkommen, jeder ist wohl mit seinen Gedanken zu sehr bei seinen Lieben daheim. Für mich ists das 3. Kriegs-Weihnachten vor Verdun. 1914, 16 und jetzt 1917. Gegen 10ºº abends gehen wir durch die Mannschaftsquartiere. Der größte Teil der Leute schläft jedoch schon, nur in einigen Buden ist noch Betrieb. - Nachher sitzen wir noch ein bißchen und gehen zeitig in die Falle. Am 1. Feiertag setzen wir uns gleich hinter den übriggebliebenen Wein. Nachmittag gibts auch noch Bier, und so wirds recht gemütlich. Draußen schneits schon den ganzen Tag. Der Neuschnee reizt zu einer Schneeballschlacht, die auch bald in Gang kommt. Nach dem Abendessen machen wir bei prachtvollem Mondschein einen kleinen Spaziergang zu den sehr gut angelegten Soldatengräbern in der Nähe von Luzy. Vormarsch 1914. Nachher feiern wir weiter bis in die späte Nacht. Morgen kann ich auf Urlaub fahren und freue mich schon mächtig darauf.
Mittwoch 26.12. Feiertag! habe ich Vormittag Exerzieren! Mit O du fröhliche! marschieren meine Leute auf den Platz. Ich mache es kurz - nach einer dicken Schneeballschlacht rücken wir wieder in die Quartiere. Abends will ich fahren. Nachmittag packe ich, esse schnell noch einige Bissen, und dann nach Inor zum Bahnhof, wo ich eben zurecht komme. Hurrah, endlich wieder einmal für drei Wochen nachhause.
Am 28. Dezember mittags komme ich in Glogau an, um immer mehr zu empfinden, daß der Krieg doch eigentlich eine unangenehme Unterbrechung des Urlaubs ist. Es ist zu fein, mal für kurze Zeit aus allem heraus zu sein. Sylvester feiere ich zuhause mit meinem alten Freunde und Kameraden Max Mahler.
Eine Karte von der Kompanie bringt mir die Nachricht, daß sie wieder, und zwar auf dem anderen Maasufer eingesetzt ist. Na, die Gegend kenne ich ja zur Genüge von